Wofür der Weltfrauentag heute steht

1911 gingen Frauen in der Schweiz auf die Strasse, um das Stimm- und Wahlrecht zu fordern. Was bedeutet der Internatio-nale Tag der Frau 2024?

Rund um die Welt wird heute der Internationale Tag der Frau gefeiert. Illustration Wikimedia Commons / Audenasr
Ramon Juchli

Länder rund um den Globus feiern heute den Internationalen Tag der Frau oder: Weltfrauentag. In Bern lädt Ständerats-präsidentin Eva Herzog (SP) Frauen aus der ganzen Schweiz und verschiedensten Lebensbereichen ins Bundeshaus ein. Thematisch steht die finanzielle Unabhängigkeit der Frau wie auch ihre Sicherheit und die internationale Situation im Fokus. Seit 1977 anerkennt die UNO den Tag als weltweiten Aktionstag, bei dem die Errungenschaften und Leistungen der Frauen gefeiert werden.

Entstanden ist der Feiertag in den USA. Dort rief die Sozialistische Partei 1909 den letzten Sonntag im Februar zum «Tag der Frau» aus. Beim ersten Internationalen Tag der Frau gingen im März 1911 in Österreich, Deutschland, Dänemark und in der Schweiz Frauen auf die Strasse. Sie demonstrierten für die Erlangung des Stimm- und Wahlrechts sowie den Ausbau von Arbeitsrechten.

Auch heute gebe es noch Anliegen, für die es sich zu kämpfen lohnt, wie die UNO auf der Website zum Internationalen Frauentag festhält: Frauen verdienen nach wie vor weniger als Männer und sind in der Wirtschaft und Politik untervertreten. Global gesehen seien Frauen zudem in der Bildung und im Gesundheitswesen benachteiligt und stärker von Gewalt betroffen.

In der Schweiz setzen sich verschiedene Organisationen auch am 14. Juni für Gleichberechtigung ein. An diesem Datum fand 1991 der Frauenstreik statt, an dem sich Hunderttausende Frauen beteiligten. Gemäss dem Historischen Lexikon der Schweiz war es «die grösste öffentliche Mobilisierung seit dem Landesstreik von 1918». Der zweite Frauenstreik folgte 2019. Seither fanden am 14. Juni jährlich Aktionen in verschiedenen Schweizer Städten statt.

Zurück zu heute: Was heisst der 8. März für Frauen der WB-Region? Vier von ihnen beantworteten den Fragebogen und sagen, welche Verbesserungen sie sich 2024 wünschen.

Es wäre schön, wenn wir uns nicht gegenseitig durch die Geschlechterbrille sehen würden, sondern einfach als Menschen.
Michaela Tschuor
Regierungsrätin und Gesundheits- und Sozialdirektorin des Kantons Luzern, 46, Wikon

Welche Frauen inspirieren Sie?

Alle Frauen, die unbekümmert und mutig ihren eigenen Weg gehen. Wenn ich eine Berühmtheit nennen müsste: Michelle Obama. Sie ist klug, engagiert, humorvoll und beliebt bei der Bevölkerung. Gleiches gilt für Emilie Lieberherr und Judith Stamm, zwei Wegbereiterinnen für Frauen in der Schweizer Politik.

Wann sind Sie froh, Frau zu sein?

Bei den Neuwahlen des Luzerner Regierungsrats 2023, bei der auf einen Schlag zwei Frauen neu ins Gremium gewählt worden sind. Damit bilden wir die Bevölkerung wieder besser ab.

In diesen Bereichen sollte die Gleichberechtigung noch mehr gefördert werden.

Ich glaube, dass wir ein gutes Stück des Weges gemeistert haben, aber auch noch viel Arbeit vor uns liegt. Ich denke an die Revision der beruflichen Vorsorge, wo die Interessen der Frauen massgeblich tangiert sind, das Thema Lohnungleichheit und auch die vorschulische familienergänzende Kinderbetreuung, die so ausgestaltet sein muss, dass sie nicht tendenziell die Erwerbsarbeit der Frauen behindert.

Das wünsche ich uns Frauen zum Weltfrauentag.

Ich wünsche nicht nur den Frauen, sondern auch den Männern, dass wir an den Punkt kommen, wo das Geschlecht keine Rolle mehr spielt. Es wäre schön, wenn wir uns nicht gegenseitig durch die Geschlechterbrille sehen würden, sondern einfach als Menschen.

Ihr Rat an die Mädchen.

Gehe deinen Weg und finde eine Leidenschaft, für die du brennst. Und lass dich nicht von denjenigen abhalten, die immer nur überall Risiken statt Chancen sehen.

Im Gegensatz zu früher lassen sich zahlreiche Frauen zu Landwirtinnen ausbilden, führen den Hof alleine oder mit ihrem Partner auf Augenhöhe.
Andrea Aregger
Bäuerin und Angestellte in einer Metzgerei, Mitglied Kommission Bäuerinnen im Verband Luzerner Bäuerinnen und Bauern, 52, Reiden

Welche Frauen inspirieren Sie?

Selbstbewusste und kreative Frauen, die sich kulturell, sozial und zum Wohle der Gesellschaft einsetzen. Dies oft auf freiwilliger Basis und mit sehr viel Herzblut.

Wann sind Sie froh, Frau zu sein?

Wenn mein Partner sagt: «Ach, schon wieder rasieren!»

In diesen Bereichen sollte die Gleichberechtigung noch mehr gefördert werden.

In den letzten Jahrzehnten hat sich vieles zum Guten gewendet. Ich persönlich bin mit der Gleichberechtigung bei uns in der Schweiz sehr zufrieden. Dies zeigt sich beispielsweise auch im landwirtschaftlichen Sektor. Im Gegensatz zu früher lassen sich zahlreiche Frauen zu Landwirtinnen ausbilden, führen den Hof alleine oder mit ihrem Partner auf Augenhöhe.

Das wünsche ich uns Frauen zum Weltfrauentag.

Dass unsere Anliegen und Sorgen immer auf ein offenes Ohr treffen. Dafür setze ich mich in der Kommission Bäue­rinnen im Verband Luzerner Bäuerinnen und Bauern auch ein.

Ihr Rat an die Mädchen.

Folge deinen Wünschen und Träumen, tue was dich erfüllt und glücklich macht. Sei überzeugt von dem, was du tust.

Als Frau kann ich mich stets auf meine Intuition verlassen.
Serena Pace
Tiermedizinische Praxisassistentin, Präsidentin Ortsteilverein Gettnau, Aktuarin Kirchenrat Gettnau, Mitglied Jugendkommission Willisau, 28, Gettnau

Welche Frauen inspirieren Sie?

Marie Curie, Nobelpreisträgerin für Chemie und Physik; Gertrud Girard-Montet, Journalistin und Natio­nalrätin, setzte sich für das Frauenstimmrecht in der Schweiz ein; Angelina Jolie, Schauspielerin, die auch mit ihrem Kampf gegen Krebs beeindruckt.

Wann sind Sie froh, Frau zu sein?

Immer! Ich kann mir gar nichts anderes vorstellen. Als Frau kann ich mich stets auf meine Intuition verlassen.

In diesen Bereichen sollte die Gleichberechtigung noch mehr gefördert werden.

Da gibt es einiges: Mutter- und Vaterschaftsurlaub, Lohngleichheit, Respekt, soziale Gleichstellung in der Welt, Bildungsgleichheit und Religionsfreiheit…

Das wünsche ich uns Frauen zum Weltfrauentag.

Ich wünsche uns das grösste Glück dieser Welt und den Mut zu haben, die Weiblichkeit zu schätzen.

Ihr Rat an die Mädchen.

Bleibe so wie du bist, denn du bist perfekt, so wie du bist!

Auch wenn es Verbesserungen gab – vielerorts müssen wir Frauen uns mehr beweisen als Männer.
Kristjana Pepaj
Medizinische Praxisassistentin, Scharleiterin JuBla Grosswangen, 23, Grosswangen

Welche Frauen inspirieren Sie?

Die Frau, die mich am meisten inspiriert, ist meine Mutter. Es beeindruckt mich, wie sie die Herausforderungen in der Arbeit und im Familienleben bewältigt und das stets mit einer positiven Einstellung.

Wann sind Sie froh, Frau zu sein?

Ich schätze die Möglichkeit, schwanger werden zu können. Da spielt auch mein Beruf eine Rolle: In einer Frauenarztpraxis ist man ständig mit Fragen rund ums Mutterseinwerden konfrontiert.

In diesen Bereichen sollte die Gleichberechtigung noch mehr gefördert werden.

Definitiv im Arbeitswesen. Die meisten Frauen kennen es: Wir müssen uns stark einsetzen für unser Recht auf gleichen Lohn, bei Bewerbungen für Leitungspositionen oder für die Anerkennung unserer Leistungen. Auch wenn es Verbesserungen gab – vielerorts müssen wir Frauen uns mehr beweisen als Männer.

Das wünsche ich uns Frauen zum Weltfrauentag.

Gratis Periodenprodukte und dass die Krankenkasse Kosten für Verhütungsmittel übernimmt, so wie in Frankreich oder England. Wir Frauen haben uns nicht für die Periode entschieden – doch sie kostet jeden Monat viel Geld. Das ist ungerecht. Gleiches gilt für die Verhütung. Es ist im gemeinsamen Interesse von Frau und Mann, sicher zu verhüten. Deshalb sollten auch die Kosten nicht überwiegend die Frauen belasten.

Ihr Rat an die Mädchen.

Lass dich nicht von anderen runterziehen, nur weil du anders aussiehst oder andere Hobbies hast.

 

Umfrage Ramon Juchli / Stefan Bossart

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