Damit ein Handwerk nicht ausstirbt

LU Couture entwirft und näht Mode nach Mass – neu mitten im Städtli Willisau. Der Ausbildungsbetrieb sorgt somit im Jubiläumsjahr für mehr Sichtbarkeit. Vor zehn Jahren startete das PPP-Projekt. Mit dem WB ziehen Kanton und Geschäftsleitung nun Bilanz.

Die 15-jährige Janika Nierhaus aus Buttisholz absolviert die Lehre als Bekleidungsgestalterin bei der Ausbildungsstätte LU Couture. Foto zvg
Chantal  Bossard

Schwungvoll schlängelt sich der Schriftzug über das Schaufenster. «LU Couture» verspricht eine baldige Präsenz – «opening soon!» – mitten im Städtli Willisau. Ganz so bald wird die Eröffnung jedoch nicht erfolgen: Noch steht die LU Couture-Geschäftsleiterin Rufina Hümmer zwischen Plastikplanen und leer verputzten Wänden. Ab dem 1. April soll es hier aber anders aussehen: Ein Hingucker nach dem anderen wird in Form von Kleidungsstücken an der Stange hängen, Stoffe als Farbtupfer. «Hier haben wir ausreichend Platz für unsere neue Werkstätte», sagt Rufina Hümmer und streckt sichtlich erfreut die Arme aus. Platz: das ausschlaggebende Kriterium für den Umzug des Mode- und Nähateliers vom Berufsschulhaus Willisau ins Städtli.

Zwei Fliegen auf eine Klappe
«In den vergangenen Jahren haben wir immer mehr Kunden und Aufträge gewonnen», so Hümmer. Kurz: «Wir sind gewachsen.» Und damit auch der Wunsch nach mehr Platz, um entsprechend produzieren zu können. «Die Lokalität im Städtli Willisau ist ein absoluter Glücksfall.» Mit dem neuen Standort können nämlich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: Einerseits löst sich das Platzproblem in Luft auf, anderseits wird «unerwartet» einem anderen Anliegen gedient: Das Modeatelier kann in Willisau – nebst Luzern – ein weiteres Ladenlokal eröffnen. «So kommen unsere Lernenden in Kontakt mit Kundinnen und Kunden und können sich vermehrt in der Beratung üben.» In diesem Zusammenhang betont die Geschäftsleiterin: «Wir werden kein zusätzliches kommerzielles Modegeschäft im Städtli.» LU Couture entwirft und näht nämlich Mode nach Mass – seit nunmehr zehn Jahren.

Das Pilotprojekt im Bildungsbereich
Das Bekleidungsatelier mit Standorten in Willisau und Luzern bildet seit 2013 junge Frauen und Männer im Bereich Bekleidungsgestaltung aus. Das Atelier war eine Verbundlösung von öffentlicher Hand und privatrechtlichem Unternehmertum – ein PPP-Projekt (private – puplic – partnership). Heisst: Der Kanton zog zusammen mit einem Förderverein sowie der Aktiengesellschaft LU Couture und dem Modegewerbeverband an einem Strick. Der Grund für dieses öffentliche Bemühen vor zehn Jahren: Im Kanton gab es weit weniger Lehrstellen für Bekleidungsgestaltung, als gefragt gewesen wären. Die Zahl der Lehrbetriebe war stark rückläufig. Im Gegensatz dazu stand die steigende Nachfrage nach Ausbildungsplätzen. So mussten Luzerner Lernende notgedrungen Lehrstätten in anderen Kantonen besuchen. Mit dem Atelier LU Couture wollte man dieser Entwicklung Gegensteuer geben und gewährleisten, dass Lernende nicht mehr auf ausserkantonale Abgebote ausweichen müssen.

Hohe Bildungsqualität
«Für die Branche hat sich das öffentliche Bemühen gelohnt, da sie selbst zu wenig Lehrplätze anbieten konnte», so Christof Spöring, Leiter der Dienststelle Berufs- und Weiterbildung. Das Ausbildungsmodell mit unternehmerischem Ansatz biete eine «hohe Bildungsqualität» und die Lernenden fänden nach der Ausbildung jeweils gute Anschlusslösungen, so Spöring. «Trotzdem ist es kein Modell, das für andere Branchen Anwendung finden sollte.» Der Kanton unterstützte das Atelier anfänglich mit  300 000 Franken pro Jahr, ab 2016 erhöhte er «aufgrund der Erfahrungen» diesen Betrag auf 600 000 Franken jährlich. Der ursprüngliche Businessplan, bei dem ein Umsatz von einer Million Franken vorgesehen war, habe sich nicht als realistisch erwiesen, so Spöring. Weder sei ein entsprechender Markt vorhanden, noch könne man die Produktivität einer Firma, die hauptsächlich aus Lernenden bestehe, in solchem Masse steigern. Die LU Couture AG erwirtschafte einen Eigenfinanzierungsgrad an die 50 Prozent  – «das ist für eine Lernenden AG bemerkenswert». Ab diesem Jahr gilt ein neues Finanzierungsmodell: Anstatt eines Fixbetrages wird ein Sockelbetrag sowie ein Betrag pro lernende Person ausgezahlt. Aktuell wird ausserdem ein neuer Leistungsvertrag ausgearbeitet, der dann bis 2025 gilt. Christof Spöring: «LU Couture ist heute ein fester Bestandteil der Bekleidungsbranche. Sie setzt Impulse und hat sich einen guten Namen erarbeitet.»

Die Sichtbarkeit vor Ort wird grösser
Rufina Hümmer benutzt ähnlich Worte: «Innerhalb der letzten zehn Jahre konnte sich LU Couture zu einem festen Bestandteil der Zentralschweizer Modeszene etablieren.» So organisiere das Atelier etwa Jahr für Jahr den «LU Couture Fashion Day» im KKL Luzern – «einer der grössten Modeevents in der Schweiz». Im Atelier in Luzern werden Kundinnen und Kunden bei Einzelanfertigungen, Änderungsarbeiten oder bei der Auswahl eines neuen Kleidungsstücks aus der Haute Couture Kollektion beraten. Die Manufaktur in Willisau ist spezialisiert auf das Entwickeln und Fertigen von Kollektionen für Schweizer Nachhaltigkeitslabels. Das Team von LU Couture näht in Willisau auch Fasnachtskleider für Einzelpersonen und ganze Guuggenmusigen. «An diesen Grundsätzen ändert der neue Standort im Städtli nichts.» Was sich jedoch bedeutend ändert: die Sichtbarkeit. «Nun wird unser Schaffen für die Bevölkerung vor Ort augenscheinlicher», so Hümmer. Und damit auch eine lange Handwerkstradition.

«Bereits in der Primarschule habe ich gerne genäht – nun habe ich das Hobby zum Beruf gemacht», sagt Alina Vonesch aus Roggliswil. Sie ist im zweiten Lehrjahr bei der Lu Couture AG. Foto zvg

Das Schneidern vor dem Aussterben bewahren
LU Couture hat sich das Aufrechterhalten des Schneiderhandwerks gross auf die Fahne gestickt. Jedes Jahr bildet das Atelier um die zehn junge Menschen im Beruf Bekleidungsgestalter/-in EFZ aus – «und fördert so den schweizerischen Modenachwuchs». LU Couture sei Lehrwerkstatt und kundenorientiertes Unternehmen in einem. «Unsere Ausbildung bietet viele Möglichkeiten und besteht aus einem Mix von Übungen, Projekten und Kundenaufträgen», sagt Hümmer. Dieser Mix scheint gut anzukommen: «Die Nachfrage nach unseren Ausbildungsplätzen ist nach wie vor gross.» Alleine in diesem Jahr schliessen 14 Frauen und Männer die Lehre ab. Und danach? «Besitzen sie die Grundlage für weitere Tätigkeiten oder Ausbildungen – viele bleiben in der Branche.» Das hat auch Alina Vonesch von Roggliswil vor. Die 20-Jährige befindet sich im 2. Lehrjahr bei der LU Couture AG. Den abwechslungsreichen Berufsalltag möchte sie auch nach ihrem Abschluss nicht missen. «Der Mix zwischen Beratung, Verkauf und Handwerk finde ich spannend.» Dabei schlägt ihr Herz ganz klar für das Schneidern: «Bereits in der Primarschule habe ich gerne genäht – nun habe ich mir das Hobby zum Beruf gemacht.» Hätte sie dafür auch einen Lehrbetrieb ausserhalb der Kantonsgrenzen in Betracht gezogen? «Definitiv nicht. Deshalb bin ich froh, hat LU Couture ein entsprechendes Angebot geschaffen. So ergeht es auch Janika Nierhaus. Die 15-jährige Buttisholzerin ist im ersten Lehrjahr. Ihre Begeisterung ist gross: «Ich bin fasziniert von dem Handwerk – toll, was man alles selbst anfertigen kann.» Für sich selbst und für andere. «Die grösste Freude ist es, etwas zu nähen und danach zu sehen, wie gut es der Kundin oder dem Kunde passt und gefällt.» Neu mit der Kulisse des Städli Willisau im Hintergrund.

Von links: Rufina Hümmer, Geschäftsleiterin LU Couture AG; Stefanie Huber, Ausbildnerin; Noemi Di Gregorio, Ausbildnerin; Sheila Kunz, Praktikantin; Daniela Pisaniello, Leiterin Manufaktur Willisau. Foto Chantal Bossard

Eröffnungsevent von LU Couture im Städtli:
Am 30. März von 17 bis 20 Uhr. Programm: Fashion School Ausstellung Kollektionskonzepte Lernende 3. Lehrjahr, Manufaktur (Rundgang Zuschnitt Produktion Lager), Couture Atelier (erleben Sie wie ein neues Kleidungsstück auf Mass entsteht), Boutique (Verkauf von Produkten Made by LU Couture), Nähwettbewerb: Testen Sie ihr Talent an der Nähmaschine, Lagerverkauf: Second Hand- Mode und Stoffe. 18 Uhr: Apéro. 18.30 Uhr: Begrüssung/ Reden Stadtpräsident, Ida Glanzmann, Rufina Hümmer. 19 Uhr: Ziehung Gewinner vom Nähwettbewerb. 20.00 Uhr: Ende der Veranstaltung. Freitag 31. März von 10 bis 17.30 Uhr und Samstag, 1. April, von 9 bis 16 Uhr Tag der offenen Tür. Alle aus Willisau und Umgebung sind eingeladen, die Manufaktur und Fashionschool zu besichtigen. Am neuen Standort werden Änderungs- und Reparatur-Service aller Marken, Neuanfertigungen nach Mass für Damen und Herren, hochwertige Secondhand Bekleidung und Upcycling-Produkte aus der Lehrwerkstatt angeboten.

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