Nachruf

25. August 2016

Sophie Tanner-Ruckstuhl

Altbüron

Sophie Tanner- Ruckstuhl wurde am 9. Oktober 1924 auf der «Untergretti» in der Gemeinde Ebers­ecken geboren. Sie wurde als viertes von sieben Kindern Franz und Karolina Ruckstuhl geschenkt. Bald schon, im Alter von erst sieben Jahren, erfolgte der Umzug der Familie nach Roggliswil, auf den Landwirtschaftsbetrieb im «Muesbach». Das erste Schuljahr verbrachte unser Mueti  in Ebersecken und die restliche Schulzeit in Roggliswil. Dort erlebte sie mit ihren Geschwistern eine schöne, aber auch sehr strenge Kindheit. Oft erzählte sie später, wie sie und ihre Schwester Liseli mit Pferd und Kühen bauerten, weil die Männer an der Grenze Militärdienst leisten mussten.

Nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit, die damals sieben Jahre betrug, durfte Sophie als einziges Mädchen in ihrer Familie bei Frau Kronenberg in Reiden eine Lehre als Damenschneiderin absolvieren. In dieser Zeit ein mutiger und sehr aussergewöhnlicher Weg für die junge, sehr hübsche Frau. Jedoch war es damals völlig selbstverständlich, dass sie täglich den mehrere Kilometer weiten Arbeitsweg, der teilweise nur aus Schotterstrassen bestand, mit dem Velo zurücklegte.

Als erfolgreich ausgebildete Damen­schneiderin betreute sie später selbstständig verschiedene Kunden. Die Arbeiten wurden jeweils gleich bei der Kundschaft zu Hause ausgeführt. Diese Zeit als Damenschneiderin prägte unser Mueti zeitlebens; schöne Kleider in passendem Schnitt und Farbe waren ihr wichtig.
 
Am 29. September 1947 heiratete Sophie in der Pfarrkirche in Grossdietwil Franz Tanner aus Altbüron. Die beiden hatten sich beim Bellevuefest in Erpolingen kennengelernt. Aus dieser glücklichen Ehe erwuchsen acht Kinder (vier Mädchen und vier Buben) sowie 23 Enkel und bis heute 15 Urenkel.

Es war eine gute und glückliche Ehe, die Mueti mit unserem lieben Baba führte. Die beiden ergänzten sich sehr gut. Die strenge, gradlinige Art von Baba mit dem liebevollen, geduldigen Wesen von Mueti ergab eine gute, gesunde Mischung, für die wir Kinder bis heute sehr dankbar sind. Sie lebten uns vor, was im Leben das Wichtigste ist, der Glaube an Gott, die Liebe und Dankbarkeit…

Trotzdem war es für unsere Eltern nicht einfach, die grosse Familie auf dem kleinen Hof im «Bühl» durchzubringen. Daher entschlossen sie sich schliesslich, im März 1962 den «Stein­hubel» zu übernehmen. Für Sophie eine weitere Herausforderung weg vom «Bühl» und den lieb gewordenen Nachbarn.

Auch diese Prüfung meisterte Mueti mit Bravour, schon bald fühlte sie sich auch in der neuen Umgebung zuhause. Umso mehr freute sie sich über Besuch, besonders wenn es dann noch zu einem «Sidi» kam. Gerne besuchte Mueti auch mal ein schönes Konzert oder unternahm einen Tagesausflug mit der Familie, etwa auf die Seebodenalp, das Ahorn oder die Rigi, am liebsten abgerundet mit einem feinen Dessert. Am meisten Freude aber bereiteten ihr ihre Enkel und Urenkel. Die brachten wieder mehr Leben in den inzwischen etwas ruhiger gewordenen «Steinhubel».

Unser liebes Mueti war die Liebe, Bescheidenheit und Selbstlosigkeit in Person. Die ganze Familie durfte davon profitieren, sie war das Herz unserer Familie, hatte Geduld, stets ein gutes Wort, hörte zu, packte an, schneiderte, tröstete, stiftete Frieden, kochte und backte 1a. Es gäbe noch viel aufzuzählen, für ihre Lieben war ihr kaum etwas zu viel. Mueti war eine Frau ganz im biblischen Sinn, sie lebte uns die Liebe vor. Wir Kinder haben zum Teil erst später realisiert, was sie für uns tat und uns mitgegeben hat. Ein Dienst von unschätzbarem Wert.

Sophie erlebte in ihrem langen Leben auch schweres Leid. Zuerst die frühen Verluste dreier Geschwister durch Krankheiten sowie im März 2002 der unerwartete Tod ihres lieben Ehemannes. Da bangten wir um unser Mueti und glaubten nicht, dass sie sich von diesem schweren Verlust wieder erholt.

Aber dank ihrem tiefen Glauben, Vertrauen und dem grossen Zusammenhalt in der Familie durchschritt Mueti auch diese tiefen Täler und fand die Freude am Leben wieder.

Am 6. Januar 2011, in seinem 87. Lebensjahr, musste Mueti unerwartet ins Spital, wo sie sich wieder einigermassen erholte. Eine Heimkehr in den «Stein­hubel» war aber leider nicht mehr möglich. So kam sie anschliessend ins Alters- und Pflegeheim Murhof nach St. Urban. Mueti fühlte sich dort erstaunlich schnell zu Hause, vor allem auch dank der Altbürer Frauen, mit denen es sich ausgezeichnet verstand. Zwischendurch war die rüstige Seniorin aber auch gerne alleine in ihrem Zimmer, wo sie gerne täglich die neuste Zeitung las, Fotos anschaute oder schöne, warme Socken strickte, welche von uns allen sehr geschätzt waren.

Wie strahlte Sophie doch immer, wenn jemand an ihre Zimmertüre klopfte, um sie zu besuchen. Gerne kam sie dann mit in die Cafeteria zu einem Cappuccino mit einer kleinen Süssigkeit. Häufig war sie auch noch für einen Jass zu haben. Manchmal gab es dann auch einen Ausflug, am liebsten nach Altbüron oder in ihr geliebtes Heimatdorf Roggliswil. Regelmässig und ganz besonders gerne ging Mueti aber am Sonntag zu einem ihrer Kinder oder Enkel nach Hause. In ihrer Zeit im «Murhof» durfte Mueti am 9. Oktober 2014, wer hätte das gedacht, sogar ihren 90. Geburtstag feiern. Das Fest im Beisein ihrer Lieben im Restaurant Ochsen in Roggliswil, konnte die Jubilarin in ausgezeichneter geistiger und körperlicher Verfassung richtig geniessen.

In den letzten Monaten wurde unser Mueti ruhiger, man spürte, dass ihr Zustand sich langsam aber stetig verschlechterte. Sie raffte sich zwar immer wieder auf und zeigte Willen, doch wurde sie zusehends schwächer und bedurfte nun vermehrt Hilfe von anderen.

Diese erhielt sie vom umsichtig pflegenden Personal im «Murhof». So konnten wir Kinder jeweils mit gutem Gewissen wieder nach Hause gehen, wir wussten unser liebes Mueti in guten Händen. In dieser Zeit, in der sie stetig schwächer und bedürftiger wurde, konnten wir Kinder ihr etwas von alldem zurückgeben, was sie uns zeitlebens geschenkt hatte. Ein guter und sicher für beide Seiten enorm wichtiger Prozess. Auch in dieser letzten, für Mueti sicher nicht einfachen Zeit von grosser Bedürftigkeit und Schwäche, war sie uns allen ein grosses Vorbild. Trotz Rollator, Rollstuhl und zuletzt Bettlägerigkeit, verbunden mit völliger Hilflosigkeit, verlor sie nie den Lebensmut, blieb tapfer, dankbar, ruhig und zufrieden… Ein richtiger Schatz für seine Umgebung. So sind wir unendlich dankbar, dass wir mit ihr zusammen auch die letzten, entspannten «Murhof»-Jahre noch erleben durften.

Still und bescheiden, wie sie lebte, hat Mueti uns am Sonntag, 19. Juni 2016, im 92. Lebensjahr verlassen und ist ruhig für immer eingeschlafen. So hat sich der Lebenskreis unseres lieben Muetis geschlossen.

In dankbarer Liebe: deine Kinder mit Familien