Nachruf

22. Februar 2016

Anna Wermelinger-Röösli

Hergiswil

Liebes Mueti. Vor ziemlich genau 30 Jahren nahmen wir an dieser Stelle Abschied von unserem Vater. Heute bekommst du von deiner Familie diesen letzten Brief.

Dein Lebensweg begann am 13. November 1923 im «Himmelrich», Grosswangen. Dort bist du mit zwei Schwestern und drei Brüdern aufgewachsen. Obwohl ihr auf vieles verzichten musstet, hast du uns doch oft von den Streichen erzählt, welche du mit deinen Geschwistern oder Nachbarskindern aus­geheckt hast. Du warst auch eine begeisterte Schülerin und hast uns immer wieder das Klassenfoto mit über 50 Kindern in einem Klassenzimmer gezeigt.

In deine Jugendzeit fiel der Zweite Weltkrieg. In dieser Zeit hast du beim Torfabbau im Ostergau mit angepackt und in verschiedenen Haushalten gearbeitet. Unvergesslich für dich war eine Wintersaison als Küchenhilfe in einem Nobelhotel in Davos. Häufig hast du von dieser Zeit erzählt. So haben wir mit dir dieses Hotel zu deinem 70. Geburtstag wieder besucht und du konntest dich mal als Gast bedienen lassen. Du warst sehr erstaunt, wie sehr sich Davos in all den Jahren verändert hat.

Deine Mutter stammte aus Hergiswil und so warst du öfters bei deinen Verwandten im «Budmigen» zu Besuch und natürlich habt ihr gemeinsam auch Dorffeste besucht. Bei dieser Gelegenheit hast du dann unseren Vater, Josef Wermelinger vom «Gross-Salbühl», kennengelernt. Im Jahr 1944 habt ihr geheiratet und du bist zu ihm auf den «Salbühl» gezogen.

Als dann der Krieg zu Ende war, konntet ihr den «Schlangenacher» übernehmen und die Gebäude neu aufbauen. Dort sind dann im Laufe der nächsten zehn Jahre wir vier Kinder auf die Welt gekommen und du hast umsichtig dafür gesorgt, dass es allen gut ging. 

Das Leben auf dem kleinen Bauernhof war karg, aber du wusstest aus allem etwas zu machen. Dein immer schön gepflegter Garten brachte viele feine Sachen auf den Tisch und manchmal duftete es auch fein nach Lebkuchen oder Zopf aus deiner Küche. Ganz besonders stolz aber warst du auf deine Strickmaschine: Viele Hergiswiler und sogar Auswärtige, Gross und Klein, haben einen von dir gefertigten Wollpullover oder eine Strickjacke getragen.

1967 begann für dich ein ganz neuer Lebensabschnitt: Der «Schlangen­acher» wurde verpachtet und wir sind ins neu erbaute Einfamilienhaus «Waldruh» gezogen. Ab diesem Zeitpunkt hast du in der «Wirag» in Willisau gearbeitet, wo man deine Zuverlässigkeit bald erkannte und dich um immer grössere Arbeitseinsätze gebeten hat. 

1972, im Alter von erst 48 Jahren, hast du einen Schlaganfall erlitten, von dem du dich zeitlebens nie mehr ganz erholt hast. Schmerzen waren ab diesem Zeitpunkt deine stetigen Begleiter.

Ein Jahr später zogen wir zurück in den «Schlangenacher». Auch dort waren wieder der Garten und die Blumenpracht dein ganzer Stolz. Nach und nach brachten auch sieben Grosskinder neues Leben in deinen Alltag, welche du gerne etwas verwöhnt hast.

Im Frühling 1985 erfuhren wir von der Krebsdiagnose unseres Vaters. Nach einer schweren Operation hast du ihn zu Hause gepflegt, aber schon an Weihnachten des gleichen Jahres mussten wir für immer von ihm Abschied nehmen. Du lebtest aber weiterhin im «Schlangenacher», zusammen mit deinem Enkel Claudio. Du hast dir auch einen neuen Bekanntenkreis aufgebaut und so wurde es für dich zur lieb gewonnenen Tradition, dich am Montagnachmittag mit deiner Jassrunde im Dorf zu treffen. Auch den Kontakt zu deinen Geschwistern hast du wieder vermehrt gepflegt. In dieser Zeit konntest du auch noch einige Reisen ins Ausland unternehmen, so zur Tulpenblüte nach Holland oder eine Fahrt nach Österreich. Mit deinem Bruder und deiner Schwägerin warst du sogar in Ungarn und in Schweden.

Doch die Lebensjahre gingen auch an dir nicht spurlos vorüber und so hast du dich vor einigen Jahren eigenständig um eine Wohnung im «Steinacher 15» bemüht und hast nach über 60 Jahren Abschied vom «Schlangenacher» genommen. Die erste Zeit im neuen Zuhause war nicht einfach für dich – du hast den Garten und die Beschäftigungen rund ums Haus vermisst. Deshalb hast du kurzerhand deinen Balkon zu einem kleinen Gemüsegarten umfunktioniert. Mit Genuss hast du Bohnen, Tomaten und sogar Kartoffeln geerntet.

Vor fast drei Jahren bist du dann, nach einem kurzen Spitalaufenthalt, ins «St. Johann» gezogen. Auch dieser Schritt ist dir nicht leicht gefallen, und so hast du die liebevolle Zuwendung des Personals sehr geschätzt und dich über  jeden Besuch gefreut – und dazu gehörten nun bereits auch deine Urgrosskinder.

In den letzten Monaten wurde es ruhiger in deinem Leben: Deine geliebten Spaziergänge im Dorf wurden seltener. In der Woche vor deinem Tod hast du einen weiteren Hirnschlag erlitten und am Montag, 26. Oktober, durftest du dann ruhig für immer einschlafen, so wie du dir das immer gewünscht hast.

Liebes Mueti, dir ging es gut, wenn es uns allen gut ging! Du hast alles für uns getan und deine eigenen Wünsche immer zurückgestellt. Dafür danken wir dir hier von ganzem Herzen.

Deine Familie