Nachruf

28. Juli 2016

Anna Reis-Häfliger

Reiden/Wikon

Liebes Mueti
Deine Seele ist dahingeflogen, wo es keine Zeit mehr gibt, wo dich die Vorangegangenen in Liebe, Wärme und Herzlichkeit empfangen. Du schaust nun auf diese Erde und siehst, was du alles in Liebe und Güte geschaffen hast. Kinder, denen du Wärme gegeben und immer umsorgt hast. Grosskinder, die dich lieben, Urgrosskinder, die einst nur Gutes von dir erzählen werden, Freunde, die deine Jasskünste vermissen, Bekannte, die dich in guter Erinnerung behalten. Du durftest in letzter Zeit ernten, was du in all den Jahren gesät hast.
Deine Kinder.

Am 31. Januar 1926 hat für Mueti auf dieser Erde alles im Quartier Hubel, Triengen, begonnen. In einer ländlichen, harmonischen Idylle verbrachte sie mit den Eltern Anna und Xaver Häfliger, dem älteren Bruder Xaver und der jüngeren Schwester Emilie unbeschwerte Jugendjahre. Kaum aus der Sekundarschule entlassen, zügelte Anni nach Luzern und arbeitete als Verkäuferin in der Bäckerei Schürmann.

Mitten in den Kriegsjahren lernte sie ihren Alois Reis kennen. Jung und verliebt heirateten sie im Kloster Wesemlin, Luzern. Von nun an wohnten sie gemeinsam in Emmenbrücke. Alois arbeitete bei der Firma von Moos und Mueti nähte zu Hause Schürzen, um das Budget etwas aufzubessern.

Welche Freude und Glück: Bereits ein Jahr danach kam der kleine Alois zur Welt.

Später arbeitete Vati als Versicherungsberater bei der Basler Versicherung. Aus diesem Grund zügelte die junge Familie nach Wikon, ins «Brod­beckhaus». Es war eine bescheidene Wohnung, ohne Bad, Warmwasseranschluss oder Waschküche. Gebadet wurde in der Küche in einem Zuber. Die «Grosswaschtage» wurden jeweils auf den Sommer verlegt. Etwas oberhalb der Kirche hängte Mueti die saubere Wäsche zwischen den Bäumen auf. Es war eine harte Zeit, doch die Leute kannten damals nichts anderes.

Das Glück schien perfekt zu sein, als 1947 die erste Tochter Ursula und ein Jahr später Liselott zur Welt kamen. 1950 meldete sich der zweite Sohn Peter an. Sechs Wochen vor seiner Geburt musste die junge Familie infolge eines tragischen Unfalls ihren ersten Sohn Alois wieder dem Herrgott zurückgeben. Drei Jahre später erblickte auch André das Licht der Welt.

Gemeinsam bauten Anna und Alois Reis-Häfliger 1955 das Wohn- und Geschäftshaus an der Kantonsstrasse in Wikon. Im oberen Teil wohnte die Familie und die Ladenlokale vermieteten sie dem «Konsum» (heute Coop).

Als 1961 Claudia zur Welt kam, war die Freude gross. Damit das Nesthöckerchen nicht allzu sehr von allen Seiten verwöhnt wurde, bekam Claudia ein Jahr später noch die Schwester Daniela.

Da Mueti den Beruf Verkäuferin gelernt hatte, war es für sie eine Selbstverständlichkeit, im «Konsum» stundenweise zu arbeiten. Sie war damals schon eine moderne Frau, die ihr Engagement in der Doppelbelastung als Mutter und Teilzeitangestellte stets gut meisterte. Mueti liebte es besonders, wenn sie am Wochenende mit der ganzen Familie Ausflüge unternehmen konnte. Mit Freude beobachteten Mueti und Vati in den folgenden Jahren, wie ihre Kinder erwachsen wurden und eigene Familien gründeten.

1985 verkaufte das Ehepaar Reis das Haus an der Kantonsstrasse in Wikon und erwarb im «Oberdorf» eine Eigentumswohnung. Kaum war die Wohnung eingerichtet, verstarb Annas Gatte Alois an einem Herzinfarkt.

Ab diesem Zeitpunkt war Mueti alleine unterwegs. Schnell wurde sie von allen Seiten gerufen – um Grosskinder zu hüten, Mahlzeitendienst auszuführen und vieles mehr. Sie pflegte die wöchentliche Jassrunde und schloss sich der Turn- und Wandergruppe an, mit welchen sie viele schöne Stunden verbracht hat. Auf die jährlichen Entspannungsferien mit dem Bad-Reuthe-Team im Bregenzerwald freute sie sich ganz besonders.

2004 musste Mueti einen weiteren Schicksalsschlag erdulden. Ihre Tochter Liselott verstarb nach einem langen Leidensweg an Krebs. Wenn man Mueti fragte, wie sie den Schmerz stillt, sagte sie: «Der Schmerz bleibt, doch man lernt damit umzugehen.»

Vor drei Jahren wartete auf Mue­ti eine schwere Entscheidung. Ihre Altersbeschwerden wurden für sie zu gross und deshalb entschloss sie sich, ins Alters- und Pflegezentrum Reiden einzutreten.

Es kam die Zeit der letzten Ernte. Sie hatte nahezu täglich Besuch von Bekannten und Verwandten. Sehr geschätzt hat sie die liebevolle Pflege durch das Personal im «Feldheim» und die immer aufmunternden Worte des Heimleiters Urs Brunner. Doch die Altersbeschwerden wurden immer grös­ser. Im letzten halben Jahr konnte sie kaum mehr sprechen. Wollte sie etwas sagen, musste sie dies aufschreiben. Ihr wacher Geist jedoch nahm regen Anteil am Weltgeschehen.

Ende Januar 2016 feierte Mueti mit ihren Kindern, Gross- und Urgrosskindern, Verwandten und Freunden ihren 90. Geburtstag. Diesen Tag im Kreise ihrer Liebsten genoss sie sehr.

Im März erfuhr Mueti, dass ihr Enkelsohn Reto Furrer, Sohn von Liselott, verstorben sei. Diese traurige Nachricht beschäftigte Mueti sehr.

Am 3. Mai erlitt sie einen Hirnschlag und der Gesundheitszustand verschlechterte sich von Tag zu Tag. Ihre Kinder und deren Familien konnten sich in Ruhe, Liebe und Dankbarkeit von ihr verabschieden.

Am Muttertagmorgen, 8. Mai, breitete Muetis Seele ihre Flügel aus und sie flog himmelwärts.

Muetis ältester Sohn Peter hat mit ihr kurz vor ihrem 90. Geburtstag über diesen letzten Tag gesprochen. Dabei teilte sie ihm mit: «Ich danke allen von ganzem Herzen, die mich auf meinem Lebensweg ein Stück begleitet haben. Vergelts Gott, geniesst ein gemütliches Beisammensein und ‹send lieb zuene­nand›.»

Die Familie