Zufriedener Kanton, unzufriedene Gemeinden

Welche Auswirkungen haben die Finanzreform (AFR 18) und der Finanzausgleich auf Kanton und Gemeinden? Antworten liefern zwei Berichte, welche die Regierung am Dienstag vorstellte. Dabei zeigte sich: Kritik kommt Verband für Luzerner Gemeinden (VLG).

Von links: Natanael Rother (Referent Finanzdepartement), Finanzdirektor Reto Wyss und Markus Kronenberg (Finanzexperte beim Verband für Luzerner Gemeinden) erläutern die Wirkungsberichte zur Finanzreform und zum Finanzausgleich. Foto: swe
Stephan Weber

Es war ein Mammutprojekt, welches die Luzernerinnen und Luzerner im Mai 2019 an der Urne guthiessen: die Aufgaben- und Finanzreform 2018, kurz AFR 18. In diesem Reformwerk wurden Ausgaben von 200 Millionen Franken zwischen Kanton und Gemeinden verschoben. Die zwei grössten Posten betrafen den Wasserbau und die Volksschulbildung. So ist seither neu der Kanton grösstenteils für die Hochwasserschutzmassnahmen und den baulichen Unterhalt der öffentlichen Gewässer zuständig. Zudem beteiligt sich der Kanton hälftig und nicht mehr zu 25 Prozent an den Kosten der Gemeindeschulen. Als Ausgleich gab es einen Steuerfussabtausch zwischen Kanton und Gemeinden.

Welche Folgen der AFR 18 auf den Kanton und die Gemeinden hatte, das sollte ein Wirkungsbericht zeigen. Geplant war, diesen Ende 2022 vorzustellen. Mit Verzögerung wurde er am Dienstag den Medien im Beisein von Finanzdirektor Reto Wyss, Natanael Rother (Referent Finanzdepartement) und Markus Kronenberg (Leiter Bereich Finanzen beim VLG) vorgestellt.

«Stehen besser da als je zuvor»

Die Befürchtungen, die Gemeinden könnten durch die Finanzreform zu wenig Mittel zur Erfüllung ihrer Pflichten haben, seien nicht eingetroffen, sagte Finanzdirektor Reto Wyss. «Sowohl der Kanton als auch die Gemeinden stehen besser da als je zuvor», sagte der Rothenburger. Als Beispiel zeigte er ein Diagramm, welches seine Aussage unterstrich. So steigerten sowohl der Kanton als auch die Gemeinden ihre Jahresabschlüsse seit 2019 massiv. 2022 erzielten die Luzerner Gemeinden ein Plus von insgesamt 177 Millionen Franken, der Kanton wies ein positives Rechnungsergebnis von 205 Millionen Franken aus.

So weit, so gut. Allerdings präsentierten sich die Auswirkungen des AFR 18 anders als bei der Erarbeitung angenommen. So stiegen etwa die Steuererträge viel üppiger als geplant. Es verblieb zwar mehr Geld in den Gemeindekassen, allerdings profitierte der Kanton von den höheren Steuereinnahmen weit mehr als die Gemeinden. Der Kanton wurde, so Natanael Rother, um 60 Millionen Franken entlastet, die Gemeinden um zusätzlich 45 Millionen Franken belastet. Trotz dieser Entwicklung: «Mit Blick auf die insgesamt sehr ausgeglichene Entwicklung der Haushalte des Kantons und der Gesamtheit der Gemeinden» sieht die Regierung «keinen Bedarf für Massnahmen», heisst es in der Medienmitteilung.

Beim Wasserbau hingegen will die Regierung nachzahlen. So hat der Wirkungsbericht gezeigt, dass es bei verschiedenen Projekten zu Verzögerungen gekommen ist. Die Ausgaben des Kantons blieben unter den Erwartungen. Der Regierungsrat plant nun, den Gemeinden Ausgleichszahlungen von rund 15 Millionen Franken zu leisten. Als weitere Massnahme will die Regierung eine Fachgruppe Sozialversicherungen einsetzen, um den Austausch zwischen Kanton und Gemeinden zu unterstützen. Der Grund: Die Ausgaben der Gemeinden waren in diesem Bereich – etwa bei den Ergänzungsleistungen – gestiegen.

Verband will neue Reform

Der Verband der Luzerner Gemeinden (VLG) war am Erarbeiten des Wirkungsberichts mitbeteiligt. Ihr Finanzexperte Markus Kronenberg teilte die vom Kanton gemachte Analyse, wie er ausführte. Nicht gleicher Meinung war er bei den Schlussfolgerungen. In einer am Dienstagmorgen verschickten Medienmitteilung mit Sperrfrist schrieb der Verband, das Ziel der Haushaltsneutralität sei nicht erreicht. «VLG fordert Ausgleich und eine neue Reform!» titelte Verband. Das finanzielle Gleichgewicht habe sich durch die Finanzreform nicht eingestellt und sich zu stark zugunsten des Kantons und zulasten der Gemeinde entwickelt, war zu lesen. Und: Mit der Steuergesetzrevision 2025 würden die Gemeinden mehr Steuersubstrat verlieren als der Kanton. Damit öffne sich die Schere wieder, welche die Reform habe schliessen wollen. Die angekündigten Korrekturzahlungen beim Wasserbau und die Absicht der Regierung, eine Fachgruppe Sozialversicherungen ins Leben zu rufen, begrüsst der VLG. Allerdings würden beim Wasserbau 15 Millionen Franken nicht ausreichen.

Was die Regierung von der Forderung des Viele liebe Grüße! nach einer neuen Reform halte, wollte der WB von Reto Wyss wissen. «Eine Reform nach der eben erst eingeführten Reform ist nicht der richtige Weg», antwortete er. Insgesamt stünden Gemeinden und der Kanton sehr gut da. Nun folge die politische Beurteilung im Parlament. «Einen Handlungsbedarf sehen wir nicht», so Wyss.

Gesetz soll teilrevidiert werden

Neben dem kontrovers diskutierten Wirkungsbericht zum AFR 18 wurde am Dienstag ein zweiter Bericht vorgestellt. Dieser untersuchte die Auswirkungen zum Finanzausgleich. Jene Massnahme kommt zum Zug, weil es Randregionen schwerer haben, gute Steuerzahler anzuziehen. Oder städtische Gemeinden tendenziell unter höheren Soziallasten leiden. Ziel ist es, die Unterschiede der einzelnen Gemeinden einzudämmen. Der Wirkungsbericht zeigt nun: Der Finanzausgleich funktioniert. Ohne ihn müssten einige Gemeinden doppelt so hohe Steuern verlangen. «Er hat sich als Instrument der Solidarität zwischen Kanton und Gemeinde bewährt», sagte Finanzdirektor Wyss. Dennoch plant die Regierung einzelne Optimierungen. Zudem soll das Gesetz teilrevidiert werden, weil das Wachstum der Unternehmenssteuern geografisch sehr ungleich verteilt ist und im Finanzausgleich zu sprunghaften Veränderungen führt.

Die beiden Wirkungsberichte werden  weiter beschäftigen. Fortgeführt wird die Debatte im Kantonsparlament und zwar voraussichtlich in der März-Session 2024.

 

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