Emotionale Debatten, klare Entscheide

Die SVP des Kantons Luzern hat an ihrer Delegiertenversammlung in der Reider "Sonne" die Abstimmungsparolen gefasst. Beim Covid-Gesetz siegten die Nein-Sager klar. Ein Votum sorgte bei vielen Delegierten für Kopfschütteln.

SVP-Kantonalparteipräsidentin Angela Lüthold-Sidler. Archivaufnahme: Keystone
Stephan Weber

Noch hatte die Delegiertenversammlung im Reider Sonnensaal am Donnerstagabend nicht begonnen. Trotzdem drehten sich die Diskussionen an den Tischen oder vor dem Eingang bereits intensiv um das Covid-Gesetz. Ein Impfzwang sei das, sagte ein älterer Herr. Ein anderer sprach von der «Macht der Pharma-Industrie», ein dritter schüttelte darob den Kopf, verwarf die Hände und sagte, mit einem Nein schade man der Wirtschaft – «das spüren dann wir alle, ob infiziert oder nicht». So viel vorab: Letztlich setzten sich die Gegner der Vorlage klar durch. 64 Delegierten stimmten Nein, nur deren 19 sagten Ja. Fünf Delegierte enthielten sich der Stimme. Thomas Burgherr, Aargauer SVP-Nationalrat legte den 90 Delegierten die Contra-Argumente dar. Er sei zwar dankbar für jede Person, die sich impfen lasse. Auch sei er der Meinung, der Bundesrat habe während der Pandemie «keinen schlechten Job gemacht». Trotzdem sei er gegen das Covid-19-Gesetz. Dieses führe zu einer Spaltung der Gesellschaft, das Zertifikat biete «eine Scheinfreiheit». Zudem sei die Aussage der Gesetzesbefürworter, bei einem Nein drohe ein erneuter Lockdown «ein Bluff». Andreas Kyriacou, Präsident der freidenkenden Schweiz, warb für ein Ja zum Gesetz. Der Wirtschaftswissenschaftler wies in seinen Ausführen vor allem auf die wirtschaftlichen Folgen eines Nein hin. Die Vorlage geniesse in Wirtschaftskreisen breite Unterstützung, sagte er und listete die Befürworter auf. Aber die (etwas gar emotionslose) Rede des Freidenkers hatte es schwierig, im Saal Gehör zu finden. Der Applaus der Delegierten fiel mager aus.

Im Ton vergriffen
Nach der kontradiktorischen Diskussion durften sich die Delegierten äussern. «Der Bundesrat soll doch so ehrlich sein und ein Impf-Obligatorium beschliessen. Faktisch läuft das Gesetz ja sowieso auf das Gleiche hinaus», sagte einer. Ein anderer findet die Covid-Massnahmen «unverhältnismässig», ein dritter fühlt sich vom Bundesrat «an der Nase herumgeführt». Peter With, Präsident des Luzerner KMU- und Gewerbeverbandes kämpfte für ein Ja. «Das Zertifikat ist eine Chance, dass die Wirtschaft weiter leben kann», sagte er. Insgesamt waren die Wortmeldungen zwar emotional und kontrovers, aber bis auf eine Ausnahme sachlich. Nicht im Griff hatte sich ein junges SVP-Mitglied, welches lautstark, polemisch und mit nicht druckfähigen Worten seinen Unmut kundtat und unter anderem den Berner SVP-Nationalrat Albert Rösti frontal übelst angriff. Das sorgte bei einigen Delegierten für Kopfschütteln und Fremdschämen. Thomas Burgherr griff daraufhin zum Mikrofon und kritisierte den Redner scharf. «Schämen sie sich», sagte er. SVP-Parteipräsidentin Angela Lüthold-Sidler, welche das Mitglied mehrmals vergeblich aufforderte, Anstand zu bewahren, sagte einen Tag nach der Delegiertenversammlung: «Die Wortwahl des Redners war nicht korrekt und sie war verletzend. Trotz der Emotionalität des Themas dulden wir eine solche  Tonart nicht.»

«Die Wortwahl des Redners war nicht korrekt und sie war verletzend. Trotz der Emotionalität des Themas dulden wir eine solche Tonart nicht.»
Angela Lüthold-Sidler
SVP-Präsidentin Kanton Luzern

Pflegeinitiative ohne Chance
Zur Pflegeinitiative, die ebenfalls am 28. November zur Abstimmung kommt, fassten die Delegierten mit 78 Nein, 7 Ja und zwei Enthaltungen die Nein-Parole. Für die Contra-Seite legte sich der Berner SVP-Nationalrat Albert Rösti ins Zeug. Die Pflegenden seien unter Druck, sagte er. Etwas gegen den Pflegenotstand zu tun, «ist unbestritten notwendig». Allerdings schiesse die Initiative über das Ziel hinaus. Es gehe nicht an, Löhne in die Verfassung zu schreiben. So wie die Initiative daherkomme, sei es eine Gewerkschaftsinitiative. «Diese nutzen die Pandemie gnadenlos für ihre Interessen aus.» Yves Aeschbacher, Pflegefachmann HF und Geschäftsführer eHealth legte die Pro-Argumente vor und sagte: «Ein Nein zur Initiative wäre ein Affront für alle Pflegenden.»

Sowohl bei der Justiz-Initiative, als auch bei der kantonalen Vorlage zum Neubau des Verwaltungsgebäudes am Seetalplatz gab es keine kontradiktorischen Diskussionen. Die Justizinitative, welche die Zürcher SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann vorstellte, gebe die Bundesrichter der Lächerlichkeit preis, sagte sie. «Niemand will einen Job erhalten, weil er von einer Losfee gezogen wird», sagte sie. Die 90 Delegierten sahen es gleich. Ohne Gegenstimme sprachen sie sich für die Nein-Parole aus.

Ein Ja mit 66 zu 13 Nein, bei elf Enthaltungen gab es zum geplanten Verwaltungsgebäude am Seetalplatz. Kantonsrat Armin Hartmann sagte, das Projekt passe zum Kanton Luzern, das Bürogebäude sei «kein Palast». Auch Regierungsrat Paul Winiker warb für das Vorhaben. Kritik gab es von Kantonsrat Guido Müller. Der Ebikoner hat Zweifel, dass sich der Kanton das leisten kann. «In den nächsten vier Jahren stehen Ausgaben von über eine Milliarde Franken bevor», warnte er. Vergebens.

Stephan Weber

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