In seinem Leben gibt die Musik den Ton an

An den Jahreskonzerten der MG Rohrmatt verabschiedet sich Hanspeter Schwegler vorerst als Dirigent von der musikalischen Bühne. Über ein halbes Jahrhundert gab er den Takt von zig Blasmusiken vor. Eine Karriere, die für ihn eigentlich nicht vorgesehen war.

Hanspeter Schwegler spielt das Waldhorn. Foto Chantal Bossard
Chantal  Bossard

Es ist still. Kein Fernseher flimmert, keine Boxen dröhnen. Lediglich Timmy, der Hund, winselt ab und zu im Schlaf. Ansonsten ist es in der Wohnung von Hanspeter Schwegler, dessen Leben voller Musik ist, vollkommen still. Radio Pilatus-Klänge im Hintergrund – «ganz sicher nicht», sagt Hanspeter Schwegler. Lachend, aber mit Nachdruck. Denn: Musik will er bewusst geniessen. So hat es der 74-Jährige bereits sein ganzes Leben lang gehandhabt. Schon, als er noch nicht gewusst hat, dass die Musik seine Berufung sein wird. Als er noch dachte, in Vaters Fussstapfen als Landwirt zu treten. Ja, selbst dann, als junger Bursche zwischen «Chuefödle», dudelte aus dem kleinen Stallradio konsequent nur klassische Musik. Vivaldi, Haydn, Mahler: «Da ging mir das Herz auf.» Obwohl – oder gerade weil? – dieser Stil untypisch anmutete, in einer Familie, die selbst kaum musizierte. Zur Blasmusik kam Hanspeter Schwegler nur zufällig.

Zum ersten Mal als Dirigent: Hanspeter Schwegler half als 18 jähriger an der landwirtschaftlichen Schule kurzfristig aus, als der Dirigent ausfiel. Fotos zvg
Hanspeter Schwegler als Dirigent am Kantonalen Musikfest in Willisau 2010.

Ältester von 13 Geschwistern
Am 11. August 1948 kommt Hans-Peter Schwegler auf dem Mettenberg, Willisau, zur Welt, im Gehöft unterhalb der Lothar-Hütte. Schweine, Milchkühe und Hühner: Seine Eltern führen einen grossen Bauernbetrieb. Hanspeter Schwegler wächst mit zwölf Geschwistern auf – fünf Schwestern und sieben Brüdern, er ist der Älteste. Ein Rohrmatt-Musikant spricht den damals 14-Jährigen an, ob er Interesse habe, ein Instrument zu spielen, lehrt ihn die ersten Töne auf der Trompete. Hanspeter Schwegler hat Talent, übt fleissig, ist wissbegierig. Die Musik sollte von nun an den Ton in seinem Leben angeben. Wovon er aber noch keine Ahnung hatte. Schliesslich war ja geplant, dass er den elterlichen Hof übernimmt. Er absolviert dann auch die Landwirtschaftliche Schule, geht als 18-Jähriger jedoch nach Luzern ans Konservatorium. Es folgt eine erste Anstellung an der Musikschule in Willisau. Für die Lektion erhält er zwei Franken – die Bezahlung der Musikschullehrer unterscheidet sich von Gemeinde zu Gemeinde. «Damals schossen die ersten Musikschulen wie Pilze aus dem Boden – alles war noch total unorganisiert.» Es habe kaum Musikliteratur gegeben, Räume hatte man selbst zu organisieren. «Doch die Nachfrage war riesig.» Genauso die Leidenschaft von Hanspeter Schwegler.

Unglaubliches Engagement
Als 23-jähriger Jungspund beginnt er bei der Musikgesellschaft Rohrmatt seine Karriere als Musikalischer Leiter. Von da an schwingt er den Dirigentenstab in zahlreichen Vereinen – zusammengerechnet kann Schwegler unglaubliche 200 Jahre Bühnenerfahrung vorweisen (siehe Kasten unten). «Ja, es war eine arbeitsintensive Zeit», sagt er heute. Jeden Abend eine andere Probe, Konzerte an den Wochenenden. Ob ihm dieses enorme Engagement nie verleidet ist? «Rückblickend war es schon manchmal etwas viel», gibt er zu, fügt jedoch sogleich an: «Es hat mir Freude bereitet.» Besonders gefallen hat es ihm, neue Notenschriften auszuwählen. Während mindestens 30 Jahren studierte er Jahr für Jahr um die 500 Partituren, etwa deren 50 wählte er schliesslich aus. «Doch ich suchte nicht aus, was mir persönlich gefiel, sondern was zu den jeweiligen Vereinen passte.» Sowieso: «Ich war nie einer, der meinen Willen anderen aufgedrückt hat.» Wer hört, wie bedacht der Rentner seine Worte wählt, wie bescheiden er sich ausdrückt, der glaubt ihm sofort. Selbstbeweihräucherung ist ihm fremd, genau so militärischer Drill. «Ein Dirigent muss eine gute Vorstellung von Musik haben und den Willen, diese umzusetzen.» Ein Führungscharakter, ja, aber «als Demokrat und nicht als Autokrat».

Auch mit gebrochenem Fuss konnte Hanspeter Schwegler noch den Stab schwingen – sitzend.

Pionier der Jugendmusik
Es ist genau diese offene Haltung, die Hanspeter Schwegler als Pionier der Jugendmusik auszeichnet. Der Musikschullehrer erkannte schon früh die Wichtigkeit und den Stellenwert der Nachwuchsförderung. 1981 gründete er die Junge Feldmusik Willisau, an etlichen weiteren Gründungen war er federführend oder mitbeteiligt.
2003 bekam er deshalb von der Stadt Willisau den Kulturpreis – «in Würdigung seines hervorragenden Beitrages zur musikalischen Förderung und sinnvollen Freizeitgestaltung der Jugend». «Die gesamte Gesellschaft profitiert davon, wenn wir den Jungen Verantwortung übergeben», hält Hanspeter Schwegler fest. Gerade die Musik «fördert die Charakterbildung und die Zusammenarbeit immens». Wichtig sei es, die Jugendlichen «selbstbestimmt» walten zu lassen. «Ich gab ihnen immer Freiraum, liess sie ihr Ding machen.» Er habe die Erfahrung gemacht: «Je mehr man vertraut, desto grösser das Engagement.» Es erstaunt nicht, dass auch die eigenen Kinder, ein Sohn und drei Töchter, zumindest in jungen Jahren alle musizierten, angefangen mit der Jungen Feldmusik. Auch seine Lebenspartnerin Yvonne Fellmann hat Hanspeter Schwegler in der Musik kennengelernt.
Angesichts der Nachwuchsprobleme, welche einige Musikgesellschaften heutzutage haben, meint Hanspeter Schwegler: «Ich will niemandem etwas vorwerfen – aber vielleicht müssen sich gewisse Vereine von ihren veralteten Strukturen lösen und bereit für frischen Wind sein.» Er ist aber überzeugt: «Das gemeinsame Musizieren wird niemals aussterben, es ist in uns drin.» Er legt eine Hand aufs Herz.

Hier mit dem Spiel der Luzerner Polizei in Rom bei der Vereidigung der Schweizer- gardisten.

Auf dem Hochsitz
Am Donnerstag, 23. und Samstag, 25. März um 20 Uhr und Sonntag, 26. März um 14 Uhr lädt die MG Rohrmatt zu Jahreskonzerten. Mit diesen beendet Hanspeter Schwegler das letzte langjährige Engagement als musikalischer Leiter. Wehmütig? «Bin ich nicht», sagt er. Stattdessen freue er sich auf einen «qualitativen Jass» oder ausgedehnte Spaziergänge mit Timmy, «meinem besten Freund». Als Pächter der Jagdgesellschaft Willisau-Ost ist der Jagdhund sein ständiger Begleiter. Die Ruhe des Waldes, die Klänge der Natur, lassen Hanspeter Schwegler manchmal stundenlang auf einem Hochsitz ausharren. «Balsam für die Seele.» Sagts, zückt sein Waldhorn. Timmy übertönt die füllig-warmen Klänge lauthals, springt aufgeregt auf das Sofa. «So, Timmy!», ruft Hanspeter Schwegler lachend und erklärt: «Er verbindet das Waldhorn mit der Jagd.» Der Musikant versucht es nochmals, bläst einige Töne – Timmy stimmt sofort mit ein. Still – ist es nun nicht mehr.

200 Jahre Bühnenerfahrung

Hanspeter Schwegler hat in folgenden Vereinen langjährig sein Wissen als musikalischer Leiter zur Verfügung gestellt: 29 Jahre Junge Feldmusik Willisau; 17 Jahre Feldmusik Willisau-Land; 18 Jahre Harmonie Rickenbach; sieben Jahre MG Grossdietwil-Altbüron; sechs Jahre Stadtmusik Sursee; sechs Jahre MG Hergiswil am Napf; zehn Jahre Musikgesellschaft Oensingen; 17 Jahre Spiel der Kantonspolizei Luzern; sieben Jahre Feldmusik Kriens; sechs Jahre MG Altishofen; sieben Jahre Blaskapelle Napfgold; fünf Jahre Jugendmusik Sursee; sieben Jahre Jugendmusik Inwil; 20 Jahre Parforcehorngruppe Diana; drei Jahre Arbeitermusik Langenthal; acht Jahre MG Inwil; zwei Jahre Blaskapelle Neuheim und 24 Jahre Musikgesellschaft Rohrmatt (1971 bis 1975/2005 bis 2023). Insgesamt: eine stolze Zahl von 200 Jahren Bühnenerfahrung.

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