Ferienspass statt Langeweile

Ob ein Besuch auf dem Bauernhof, in der Tierarztpraxis oder auf dem Tennnisplatz: Der Ferienspass macht seinem Namen alle Ehre. Langeweile? Sie kam bei 225 Kindern auch in der letzten Ferienwoche nicht auf.

Stefan Bossart

Sich in den Streifenwagen der Polizei setzen, ein Pferd striegeln und satteln, oder auf dem Entsorgungshof in die Welt der «Müllmonster» eintauchen: Sie hatten die Qual der Wahl, die Kindergärtler und Primarschüler aus Reiden, Langnau, Richenthal und Wikon. Und mussten sich Anfang Mai sputen: Buchen, buchen und nochmals buchen war angesagt. «Bereits nach zwei Tagen hatten wir kaum noch Plätze frei», sagt die OK-Präsidentin Petra Scheidegger. Für sie und das Ferienspass-Team, Sandra Broch, Erika Büchler, Andrea Illi Bühlmann, Regula Helfenstein, Karin Horvath, Nicole Müller und Stefan Zimmerli, war dies kein Grund, sich zurückzulehnen. Im Gegenteil. Die Kursleiterinnen und Kursleiter wurden angefragt, ob sie ihr Atelier einen weiteren Halbtag anbieten. «Letztlich konnten wir 56 Kurse auf unserer Website aufschalten, schrieben sich 108 Mädchen und 117 Buben für einen der insgesamt 542 Plätze ein», sagt Petra Scheidegger und fügt an: «Sowohl den Kursleiterinnen und Kursleitern als auch meinem Team und allen Helferinnen und Helfern gebührt ein riesiges Dankeschön.»

Privatpersonen, Vereine und Gewerbe ziehen mit

Der Bienen- oder Kaninchenzüchter, die leidenschaftliche Bäckerin oder die engagierte Kräuterfrau: Zahlreiche Privatpersonen gaben den Kindern Einblick in ihr Hobby. Involviert in die besondere Reider Ferienwoche ist aber auch das einheimische Gewerbe. Der Schreiner- und Malermeister aus dem Dorf spannten beispielsweise zusammen und liessen die Kinder ein eigenes Schlüsselbrett herstellen. Andere waren mit der Maurerkelle auf der Baustelle unterwegs oder durften hinter dem Steuer eines Mähdreschers Platz nehmen. Und wie immer konnte das Ferienspass-Team auf die Vereine und Organisationen im Dorf zählen. Von den Jägern über den Tennisclub bis hin zur Ludothek oder den «velöler.ch» – sie engagierten sich für die Kinder, zeigten ihre Passion für Gotteslohn. Einzig die Materialkosten werden verrechnet, und so können nicht zuletzt dank treuen Sponsoren die Kurse für 5 bis 15 Franken angeboten werden. «Seit es den Ferienspass gibt, ist das Ziel das gleiche geblieben», sagt Petra Scheidegger und fügt an: «Den Kindern und damit auch ihren Eltern soll zu einem vernünftigen Preis ein tolles Erlebnis angeboten werden.» 

Seit acht Jahren Weihnachten im Sommer

2013 riefen die Frauen Reiden das Angebot ins Leben, schufen mit dem Ferienspass-Team eine eigene Gruppe, die seither für Weihnachten im Sommer sorgt. Der Vergleich kommt nicht von ungefähr. Ein Engel aus Tannenzweigen, dessen Herzstück ein viereckiger Briefkasten war: Dieses Werk stand vor acht Jahren in Reiden Mitte. «Teilen Sie uns Ihre Wünsche mit», forderte der Verein die Dorfbevölkerung auf. Zwei Mütter griffen zu Kugelschreiber und Papier. Und schrieben quasi eine Liebeserklärung an ihr Dorf. Hier gebe es tolle Geschäfte, tolle Vereine, tolle Leute – also die besten Voraussetzungen, um eine coole Woche für Kinder zu organisieren, mit einem Ferienpass für Ferienspass zu sorgen. Die wenigen Zeilen fanden den Weg an den Vorstandstisch der «Frauen Reiden» und stiessen eine Erfolgsgeschichte an, die Jahr für Jahr für strahlende Kinderaugen sorgt.

Nach dem Ferienspass ist vor dem Ferienspass

Das aktuelle Ferienspass-Team hatte letztes Jahr seine «Feuertaufe». «Auch bei der zweiten Ausgabe waren wir im Vorfeld ziemlich angespannt», sagt Petra Scheidegger. X-Termine mussten eingetragen werden, ein riesiger Koordinationsaufwand ohne Fehler erfolgen. «Letztlich lief alles wie am Schnürchen. Die Rückmeldungen von Eltern und Kindern sind Motivation pur, 2022 erneut eine tolle Woche auf die Beine zu stellen.» Somit kommt auch beim OK keine Langeweile auf. Denn: Nach dem Ferienspass ist vor dem Ferienspass.

Weitere Bilder und Infos: www.reiden.feriennet.projuventute.ch

 

Stefan Bossart

WB-Mikrofon

Aus 56 Kursangeboten konnten die Kinder von Reiden, Richenthal, Langnau und Wikon beim Ferienspass auswählen. 225 nutzten die Gelegenheit und machten mit. Vier von ihnen berichten, was sie dabei erlebten.

 

Jeremy Kneubühler, 8, Reiden

Beim Besuch der Hess Muldenservice AG wurde Jeremy wortwörtlich zum König. Eine weiss gesprayte Blechdose mit herausgeschnittenen Zacken hat er mit farbigen Glasperlen verziert, sein Werk als Krönung mit nach Hause nehmen können. Er hat es dem Esstisch platziert, damit ihm nicht das Gleiche passiert wie dem Müllkönig in der erzählten Geschichte. «Er hatte seine Krone verloren und deswegen gar ‹Schruube› geweint.» Wie diese «Tränen» richtig entsorgt werden, lernte Jeremy an diesem Vormittag. Wobei: «Vieles habe ich schon gewusst. Schliesslich begleite ich Papi immer, wenn wir den Müll entsorgen», sagt er und fügt an: «Abfall trennen ist wichtig, um die Natur zu schützen.» Eindruck gemacht hat ihm der grosse Lastwagen, der die Kehrichtpressmulde beim Areal des Reider Entsorgungsunternehmens auflud. Jeremy beschäftigte sich im Laufe der Woche aber auch mit kleinen Dingen wie Würfeln, Münzen oder Jasskarten. König und Zauberer zugleich – der Ferienspass machts möglich.

 

Dea Blaser, 7, Wikon

Einen Hund, diesen hätte Tiernärrin Dea gerne. «Doch es gibt da zwei kleine Probleme», sagt die 7-Jährige und lacht. Gemeint sind ihre beiden Kater Ayka und Baileys, die laut Dea wohl wenig Freude an einem bellenden Vierbeiner hätten. Dabei wäre ein solcher doch «sooo härzig». Davon konnte sich Dea am Montag beim Besuch bei Christina Scherler im Hintermoos überzeugen. Insbesondere die fünf kleinen Welpen haben es ihr angetan. «Nachdem wir mit den gros-sen Hunden einen Geschicklichkeits-parcours absolviert und für diese als Belohnung Guetzli mit Thunfisch gebacken hatten, durften wir die kleinen streicheln und mit ihnen gappen», sagt Dea und fügt an: «Ein Welpe wäre noch zu haben. Doch mein Sackgeld reicht leider nicht aus.» Ihre beiden Stubentiger Ayka und Baileys wirds recht sein. Nebenbei: Sie mussten ihre Streicheleinheiten selbst an diesem Abend nicht missen, obwohl Dea hundemüde von einem «super tollen Vormittag» nach Hause zurückkehrte. 

 

Amelie Jordi, 12, Reiden

Ein grösseres Kompliment könnte Amelie Jordi ihrer Trainerin Sandra Thomann vom Reider Nisa BodyMindSoul-Center kaum machen. Obwohl sie hier wöchentlich am «Jumping Kids» teilnimmt, hat sie sich auch für den angebotenen Kurs des Ferienspasses angemeldet. Trampolin springen, die Kletterwand hochsteigen oder am «Affenschwanz» zu Höhenflügen ansetzen: «Beim aufgestellten Parcours kann ich mich jeweils richtig auspowern», sagt die 12-Jährige. Doch auch «Neuland» betrat Amelie im Laufe der Ferienspass-Woche. Sie war mit dabei, als in der Tierarztpraxis einem Hund zwei Zähne herausoperiert werden mussten. Zudem schwang sie als Zuckerbäckerin den Schwingbesen. «Wir kreierten Torten und feine Desserts, also echte Energiebomben», sagt Amelie. Die Rezepte hat sie sich gemerkt. Schliesslich kann man nie genug Power haben – spätestens dann, wenn sie sich nach einem strengen Schultag im Nisa BodyMindSoul-Center durch die Lüfte schwingt.

 

Jonas Hunkeler, 10, Richenthal

Jonas will Landwirt werden, die Kühe auf die Weide treiben und mit dem Traktor Getreide auf dem Feld anbauen. Daran hat der Besuch auf dem Polizeiposten Reiden nichts geändert. «Aber wenn sich mein Wunsch nicht erfüllt, könnte ich mir gut vorstellen, später Polizist zu werden», sagt er. Mächtig Eindruck hinterlassen hat bei ihm vieles. Etwa der Deutsche Schäferhund, der Einbrecher schnappt, oder die schusssichere Weste, die er sich mit aufgesetztem Polizeihut anziehen durfte. Sogar die Handschellen klickten um seine Handgelenke. «Hoffentlich zum ersten und letzten Mal in meinem Leben», sagt der gewiefte 10-Jährige und beginnt zu lachen. Der Grund liegt auf der Hand. In Eisen gelegt lässt sich ein Traktor nun wirklich nicht «gäbig» steuern. Ob er dies bei seinem Besuch beim Lohnunternehmer Maurer und Steinmann machen kann, wird sich zeigen. Auf jeden Fall freut sich Jonas auf das Wiedersehen mit jenen «Mannen», die bei ihm auf dem Hof jeweils fürs Dreschen oder Häckseln zu Gast sind.

 

Umfrage Stefan Bossart

 

 

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