Der Untergrundprofi für den Sportbereich

Von Dagmersellen in die weite Welt: In 65 Ländern findet sich auf Leichtathletik-Rundbahnen und Kunstrasenplätzen Granulat aus der Produktion der Gezolan AG. Über 20 000 Tonnen der elastischen Gummigranulate verlassen pro Jahr das Werk in Dagmersellen – dabei ist die richtige Mischung das Erfolgsrezept.

Auf dem Kunstrasen des belgischen 1.-Ligisten St.Truiden liegt Granulat aus Dagmersellen. Foto zvg
Pascal Vogel

Die blaue Rundbahn im Wiener Ernst-Happel-Stadion, jene im Atatürk-Stadion in Istanbul und der Kunstrasen in der Arena des belgischen Fussball-1.-Ligisten St. Truiden haben eines gemeinsam: Alle beinhalten sie Granulat der Gezolan AG aus Dagmersellen. Seit mehr als 50 Jahren stellt die zur deutschen Kraiburg-Gruppe gehörende Firma Gummigranulate her und exportiert diese in die weite Welt. In 65 Ländern auf dem ganzen Globus sind sie verteilt, die Exportrate liegt bei 90 Prozent.

Grösste Abnehmer sind Länder respektive Sportplatzbauer in Europa und Nordamerika, die Granulat für ihre Sportböden brauchen. Rund 55 Prozent aller in Dagmersellen produzierten Granulate werden hierfür verwendet: das sogenannte Gezoflex bei Leichtathletik-Rundbahnen, das Einstreugranulat Gezofill bei Kunstrasenplätzen. Letzteres weist einen Durchmesser von 0.5 bis 2.5 Millimeter auf. Die kleinen grünen Gummigranulate, welche in millionenfacher Ausführung das Erdreich simulieren, sorgen dafür, dass die Kunststofffasern – also das künstliche Gras – aufrecht stehen und ein Kunstrasen seine sportfunktionalen Eigenschaften erhält. Rund 40 Tonnen Granulat sind durchschnittlich für einen Fussballplatz nötig.

 

Befürworter und Skeptiker

Die Geburtsstätte des Kunstrasens liegt in den USA, genauer in Houston, Texas. Im Astrodome wurde 1965 zum ersten Mal Kunstrasen im grossen Stil verlegt. Dieser war mehr ein Teppich denn ein Rasen, wenig gelenk- und bei einem Sturz schon gar nicht hautschonend. Seit den 1990er-Jahren wird die 3. Kunstrasen-Generation verlegt. Eine elastische Tragschicht, getrockneter Quarzsand und elastisches Gummigranulat sorgen für eine naturrasenähnliche Spielanlage, die sogar FIFA- und UEFA-lizenziert ist. Die Fussballweltmeisterschaft der Frauen 2015 in Kanada wurde auf Kunstrasen ausgetragen, Qualifikationsspiele der Herren ebenso. Sogar in der Champions League treten Mannschaften auf künstlichem Untergrund an, nicht zuletzt Schweizer Meister YB. «Die Akzeptanz ist noch nicht überall gegeben, wird aber grösser, da die heutige Generation praktisch auf dem Kunstrasen aufwächst», sagt Sven Prause, Produktmanager der Gezolan AG.

Dennoch sehen einige immer noch rot beim künstlichen Grün: Fussballromantiker und besorgte Eltern. Letztere erhielten in den vergangenen Jahren Nahrung durch verschiedenste Zeitungsartikel, vornehmlich aus den Niederlanden. Dort war von Gesundheitsrisiken im Zusammenhang mit dem Spielen auf Kunstrasen die Rede. Die Granulate würden krebserregende Weichmacheröle und sogenannte Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe – kurz PAK – enthalten. Tatsächlich können diese Stoffe in Granulaten nachgewiesen werden, die aus recyklierten Autoreifen hergestellt werden. Aber weder ist der Zusammenhang zwischen solchen Granulaten und Krebserkrankungen erwiesen, noch verwendet die Gezolan AG Recykliermaterial. «Wir sind PAK-frei, stellen alles selber her und verwenden für unsere Produkte ausschliesslich qualitativ hochwertige Rohstoffe», sagt Sven Prause. 

Nicht nur Profi-, sondern vor allem auch Amateurvereine setzen vermehrt auf eine künstliche Unterlage. Diese hat im Gegensatz zum Naturrasen den Vorteil, während des ganzen Jahres bespielbar zu sein. Auch in Schötz war man sich dessen bewusst, als 2014 ein Kunstrasenplatz gebaut wurde. Ob auf den Plätzen in Wissenhusen, Neuenburg, Bern oder Thun Dagmerseller Granulat liegt, weiss Sven Prause nicht. «Wir beliefern unsere Kunden mit Granulat. Wo und wann sie dieses verbauen, bleibt uns leider oft verborgen.» Eine der wenigen bekannten Referenzen ist das Stadion der VV St. Truiden, ein belgischer 1.-Ligist. «Es ist schön, wenn man solche Referenzen hat, das bringt natürlich Publicity», sagt Sven Prause, der gleichzeitig festhält, dass der Profibereich nicht jener Zweig ist, der grossen Profit abwirft. «Da die Ausstrahlung einer Arena grösser ist als bei einer Anlage eines Amateurvereins, mischen mehr Unternehmen mit. Dadurch wird der Preis gedrückt.»

Die Rundbahn im Zdzisław-Krzyszkowiak-Stadion in Polen enthält Granulat der Gezolan AG. Foto zvg

Lebensdauer von 10 bis 15 Jahre

Gezoflex nennt sich jenes Granulat, welches unter anderem für Leichtathletik-Rundbahnen verwendet wird. 5 bis 12 Kilogramm davon enthält eine Laufbahn pro Quadratmeter, je nach Bauart. Dabei wird unterschieden zwischen Bahnen für den Schul-, Amateur- oder Profibereich. «Ein Boden der durch einen Athleten oft frequentiert wird, beispielsweise beim Schul- und Trainingsbetrieb, sollte weicher und kraftabsorbierender sein als einer, der für Wettkämpfe und Meetings genutzt wird», sagt Jörn Koonert, Entwicklungsleiter der Gezolan AG.

Je härter die Unterlage, desto schnellere Zeiten können realisiert werden, da der Boden weniger Kraft absorbiert. Nachteil: die Federung fehlt, Gelenke und Rücken werden stärker beansprucht. Koonert sieht vor allem bei Rundbahnen für Leichtathletikmeetings eine Herausforderung. «Ob Langstreckenläufe über 10 000 Meter oder die Königsdisziplin, der 100-Meter-Sprint: Alles wird auf der gleichen Bahn ausgeführt.» Da die richtige Mischung zwischen elastischer und harter Unterlage zu finden, sei die Schwierigkeit. Und genau diese Schwierigkeit beherrscht die Gezolan AG seit über 50 Jahren.

Die Gezolan AG bietet Granulat in allen erdenklichen Farben an. Foto zvg

Bis zu 30 verschiedene Bestandteile enthält ein Granulat. Jörn Koonert vergleicht das Herstellen von Granulat mit dem Backen eines Brotes. «Ein guter Teig ist die Basis und fundamental für ein gutes Endprodukt.» Ist der «Teig» gemacht, kommt er in den Ofen. Bei 150 bis 200° C wird er «gebacken» – vulkanisieren nennt sich das. Dieser Vorgang bindet die flüssige Masse, macht das Gemisch fest und gleichzeitig elastisch; nach einer Krafteinwirkung kehren die Molekülketten in ihre ursprüngliche Position zurück, die Form wird beibehalten. Anschliessend werden die Granulate auf die gewünschte Korngrösse granuliert, sprich zerkleinert.

Die Produkte der Gezolan AG weisen gegenüber jenen der Konkurrenz einen grossen Vorteil auf, sagt Jörn Koonert: «Durch einen weiteren patentierten und in der Branche einzigartigen Herstellungsvorgang – das sogenannte Schäumen – entstehen kleinste Löcher in den Granulaten.» Das Volumen bleibt bestehen, das Gewicht wird reduziert, was sich schliesslich für den Kunden auszahlt.

Auf rund 10 bis 15 Jahre taxiert Jörn Koonert die Lebensdauer einer Rundlaufbahn respektive eines Kunstrasenplatzes. Eine pauschale Angabe sei aber schwierig. «Je nach äusseren Bedingungen und der Belastung kann die Lebensdauer stark variieren.» Hinzu komme die Pflege, die oft vernachlässigt werde. Sowohl Kunstrasenplätze als auch Rundlaufbahnen brauchen Unterhalt. Letzterer kann aufgrund seiner porösen Beschaffenheit mit Hochdruck und Besen von Schmutz befreit werden, beim Kunstrasenplatz sollte mit einem Spezialfahrzeug das Granulat und der Sand von Zeit zu Zeit aufgelockert werden. Damit wird der Kompaktierung des losen Füllma-terials vorgebeugt. «Wer die Wartung vernachlässigt, vermindert die Lebensdauer markant», sagt Jörn Koonert.

 

Pascal Vogel

 

In Dagmersellen und Buford daheim

Gezolan AG: Der Firmenname setzt sich aus Gesellschaft Zofingen für Elastomere Anwendungen zusammen. 1968 im Aargau gegründet, verlegte die Firma ihren Sitz 1977 nach Dagmersellen. Produziert wurde schon seit jeher im Industriegebiet nahe der Autobahn. Vor einem Jahr eröffnete die Gezolan AG in Übersee eine zweite Produktionsstätte. Während am Hauptsitz in Dagmersellen 47 Mitarbeiter beschäftigt werden, sind es in Buford, Georgia, deren 28. «29 Prozent unserer Exporte gehen nach Nordamerika. Dank der Niederlassung in den USA umgehen wir nicht nur die Zölle und sparen Logistikkosten, sondern entlasten auch unsere Produktion in Dagmersellen», sagt Sven Prause, Produktmanager der Gezolan AG. «Durch unsere stete Auslastung mussten wir früher Aufträge absagen. Nun können wir weltweit neue Kunden hinzugewinnen.» pv

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