Stefan Reichmuth holt WM-Bronze

Er hat es geschafft! Nach harter akribischer Arbeit, totalem Fokus und etlichen fünften Rängen hat Stefan «Stifi» Reichmuth in der kasachischen Hauptstadt Nur-Sultan bis 86 kg, Freistil, die WM-Bronzemedaille und gleichzeitig das Olympiaticket erkämpft.

Stefan Reichmuth sicherte sich an der Ringer-WM sensationell die Bronzemedaille. Foto Aleksandar Djorovic
Pascal Vogel

Es war der berühmte Tag X. Gepasst hat einfach alles. Schon bei der Auslosung hatten viele im Lager der Lions für Stefan «Stifi» Reichmuth intakte Chancen auf eine allfällige Olympiaqualifikation gesehen. Schwierig, aber möglich, so die Devise. Reichmuth nützte Tagesform und Los dieses Mal eiskalt aus. Der 25-Jährige war aufgrund der Auslosung bereits in der Runde der letzten 16 gesetzt. Dort traf er auf den Litauer Edgaras Voitechovskis. In einem taktisch sehr klugen Kampf konnte der Athlet der RCW Lions den Litauer gut auf Distanz halten und gewann sicher mit 6:1.

Im Achtelfinale traf Reichmuth auf den russisch-stämmigen Israeli Uri Kalashnikov. Nach einer ausgeglichenen ersten Hälfte ging der Grosswanger mit einer 1:0-Führung dank Aktivitätszeit in die Pause. Gleich danach zündete Reichmuth ein Feuerwerk, brachte seinen Beinangriff durch und konnte am Boden mit seiner Beinschraube gleich nachsetzen und den Israeli mit technischer Überlegenheit auspunkten. Dies war bereits ein dickes Ausrufezeichen, hatte er gegen Kalashnikov im letzten Duell doch noch verloren.

 

Revanche gegen Friev

Im Viertelfinale stand ihm erneut ein alter Bekannter gegenüber: Der ebenfalls aus Russland stammende Spanier Taimuraz Friev. Mit ihm hatte Reichmuth noch eine Rechnung offen, verlor er gegen ihn doch an der letzten WM äusserst unglücklich und knapp. Dieses Mal kam es anders. Hoch fokussiert und taktisch klug ging der Schweizer in die erste Hälfte. Es war wieder ein von Taktik geprägter Kampf. Beide Ringer erhielten je einmal eine Passivitätszeit. Gut eine Minute vor Schluss konnte Reichmuth den Spanier aus dem Ring befördern – 2:1 für den Grosswanger. In der letzten Kampfminute dürfte der Puls bei den Fans vor Ort, aber auch bei den Zuschauern am Bildschirm in die Höhe gerast sein. Schliesslich schaffte Reichmuth den Einzug in den WM-Halbfinal, was gleichzeitig die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio bedeutete. Was für eine Erleichterung: Der Grosswanger sprang sofort nach dem Kampf Trainer Nicolae Ghita in die Arme und formte mit einer Geste über dem Kopf den olympischen Lorbeerkranz. 

Doch das Turnier ging natürlich noch weiter. Im Halbfinale stand er dem Inder Deepak Punia, Juniorenweltmeister und Weltnummer 5, gegenüber. Dieser erwies sich als äusserst unbequem und zäh. Mit dem Resultat von 2:4 aus Sicht des Schweizers ging es in die Pause. Danach hatte man das Gefühl, dass die Konzentration bei Reichmuth etwas nachliess, jedenfalls konnte der Inder auf 2:8 ausbauen und bei diesem Resultat blieb es dann auch bis zum Ende. Damit war klar, dass Stefan Reichmuth am Sonntag um Bronze ringen würde. Die RCW Lions sendeten darauf am Abend ein Video mit anfeuernden und jubelnden Fans in der BBZ Halle.

 

Abgeklärt zur ersten Freistil-WM-Medaille überhaupt

Im kleinen Finale traf der Grosswanger auf den Kolumbianer Carlos Izquierdo Mendez. Man sah wieder einen topfokussierten Reichmuth, der nur so vor Selbstvertrauen strotzte. Die Zuschauer spürten: Der will diese Medaille um jeden Preis! Drei Mal konnte Reichmuth durchstarten und den Südamerikaner ins Aus befördern. Die 3:0-Führung brachte er problemlos über die Zeit. Und da war sie, die langersehnte Medaille. Es ist die erste Freistil-WM-Medaille überhaupt für die Schweiz. Ein historischer Moment. Und was für ein Wochenende für Stefan «Stifi» Reichmuth, die RCW Lions und den ganzen Schweizer Ringer-Verband. Eine sensationelle Leistung des Grosswangers, der mit diesem Ergebnis Geschichte schrieb. tiz

 

«Ein nie dagewesenes Ereignis»

Fredy Infanger, Sportchef der RCW Lions und seit Jahren Wegbegleiter von Stefan Reichmuth, sprach am Tag nach dem Bronzemedaillengewinn seines Schützlings von einem «historischen und nie dagewesenen Ereignis» im Schweizer Ringsport, das mit nichts zu vergleichen sei. «Das ist, wie wenn einer aus Kasachstan Weltmeister im Skifahren wird, eigentlich unmöglich», so Infanger. «Man hörte viele Stimmen, die sagten, als Schweizer sei es unmöglich, eine Medaille zu holen. Und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich hätte immer daran geglaubt», so Infanger. «Dass ‹Stifi› es nun geschafft hat, macht uns umso stolzer und zeigt: Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann zieht er es auch durch.» Reichmuth habe immer den Fokus gehabt, schon als 15-Jähriger, habe neue Wege beschritten, auch wenn diese anders und weiter gewesen seien als jene der Teamkollegen. 

Ein kleiner Teil dieses Erfolges beruhe sicherlich auf den RCW Lions. Infanger hebt jedoch den «eisernen Willen» von Reichmuth hervor, der Fundament dieser Bronzemedaille sei. «Und diesen konnten wir ihm nicht in die Wiege legen. Mir fehlen noch immer die Worte», so Infanger, der sich gestern Montag mit rund 50 Personen auf den Weg nach Zürich begeben hat, um den Bronzemedaillengewinner in Empfang zu nehmen. Am Abend ging die Feier in Willisau weiter. pv

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