Kein Engel, aber Lichtblick sein

Am 1. Oktober ist offizieller Arbeitsbeginn von Anna Engel als Leiterin des neuen Pastoralraums Luzerner Hinterland. Ihr neues Wirkungsgebiet Luthern, Ufhusen, Zell, Fischbach, Grossdietwil und Altbüron hat sie schon vor Längerem ausgekundschaftet – inkognito.

Die neue Pastoralraumleiterin Anna Engel-Bucher (52). Foto Astrid Bossert Meier
Norbert Bossart

Wer Engel heisst und für die Kirche arbeitet, muss sich die Frage gefallen lassen: Nomen est omen? «Engel ist ein starker Begriff», sagt Anna Engel-Bucher. Ein Engel sei sie nicht. «Aber ich hoffe, dass ich für Menschen in schweren Zeiten ein Lichtblick sein kann.» 


Neuland – auch für die Pfarreien

Die 52-jährige Theologin sitzt am gros-sen Holztisch in ihrer hellen, offenen Wohnung im ersten Stock des neu erbauten Chilerainhauses, nur wenige Schritte vom Pfarrhaus und der Kirche St. Martin entfernt. In den letzten Wochen hat sie sich in Zell häuslich eingerichtet. Nach Abschluss ihres Theologiestudiums und der zweijährigen Berufseinführung im Pastoralraum Kriens, übernimmt sie nun die Leitung des neuen Pastoralraums Luzerner Hinterland, welcher die vier Pfarreien Luthern, Ufhusen, Zell und Grossdietwil umfasst. Ganz schön viel für den Anfang. Aber es wird schnell klar: Anna Engel freut sich auf diese Aufgabe. Und sie traut sie sich zu. «Ich möchte mit den Menschen in diesem Raum auf dem Weg sein und mit ihnen das Leben teilen.»


Sehnsucht nach einer lebendigen Kirche

Wer ist diese Frau, die mit den Menschen im Luzerner Hinterland unterwegs sein will? Aufgewachsen ist Anna Engel-Bucher zusammen mit drei Brüdern in Hasle im Entlebuch, in einer katholischen Familie. Regelmässige Kirchgänge und Beichten gehörten zu ihrer Kindheit. Als sie nach der obligatorischen Schulzeit ihre Erstausbildung als Koch absolvierte und am Wochenende oft arbeitete, hatte sie kaum Gelegenheit für den Gottesdienstbesuch. Als sie heiratete und Mutter von vier Kindern wurde, waren positive Kirchenerfahrungen rar. Noch heute denkt Anna Engel betrübt an die Erstkommunionsvorbereitung ihrer ältesten Tochter, wo mit viel Druck und Strenge gearbeitet wurde. Das entsprach nicht ihrer Glaubensüberzeugung. Sie wünschte sich eine Kirche, «wo Menschen zusammenleben und sich wertschätzend begegnen.» 

 

Von der Kinderfeier zum Theologiestudium

Erst als die Familie nach Malters zog, erlebte Anna Engel jene offene, herzliche Kirche, die ihrem Bild vom christlichen Unterwegssein entsprach. Mit der Gestaltung von Kleinkinder- und Kinderfeiern stieg sie in die ehrenamtliche Kirchenarbeit ein. Nach und nach übernahm sie weitere Aufgaben. Als sie die Firmlinge begleitete, verspürte sie den Wunsch nach einem theologischen Hintergrund. Sie absolvierte das vierjährige Studium zur Religionspädagogin an der theologischen Fakultät der Uni Luzern, welches sie 2010 abschloss. Es folgte 2012/2013 der Bachelorstudiengang Religionspädagogik. 

Dann ergab sich die Möglichkeit, in den Predigtdienst einzusteigen. Anna Engel nutzte die Chance. Aber wenn schon, dann richtig. Sie entschied sich für das zweijährige Theologiestudium im bischöflichen Sonderprogramm, welches sie 2018 abschloss. Die obligatorische, zweijährige Berufseinführung des Bistums Basels führte sie in den Pastoralraum Kriens, wo sie als Pfarreiseelsorgerin insbesondere in der Altersarbeit tätig war. Der Einstieg war gelungen. Doch sie wollte «die ganze Breite» ihrer Ausbildung nutzen: Sich für Familien, Kinder, Jugendliche, Seniorinnen und Senioren einsetzen, Vereine begleiten, mit den Menschen Gottesdienste feiern, Taufen, Beerdigungen, Hochzeiten, mit ihnen gemeinsam fröhlich sein, sie in schweren Zeiten unterstützen und ihnen beistehen, wenn das Leben zu Ende geht. 

Foto Astrid Bossert Meier

Inkognito durchs Luzerner Hinterland

Im Februar 2020 entdeckte Anna Engel in der Schweizerischen Kirchenzeitung die Stellenausschreibung für die Leitung des neuen Pastoralraums Luzerner Hinterland. Zur Region hatte die Theologin kaum Bezug. «Ausser zum Napf, aber von der Entlebucher Seite her», sagt sie schmunzelnd. Also reiste sie inkognito ins Hinterland. Sie spazierte durch Zell, Grossdietwil, Ufhusen und Luthern und stattete sämtlichen Kirchen einen Besuch ab. Sie nahm sich Zeit, setzte sich in eine Kirchenbank und liess den Raum auf sich wirken. Sie schmökerte in den Pfarreiblättern, las die aufgelegten Flyer und besuchte die Homepages. «Ich spürte, das sind lebendige Orte, wo die Menschen als Gemeinschaft unterwegs sind», so Anna Engel. Dieser Eindruck bestätigte sich beim Vorstellungsgespräch, bei welchem Vertreterinnen und Vertreter aller vier Pfarreien anwesend waren. «Mir begegnete eine grosse Herzlichkeit und Offenheit. Da wusste ich, dass ich mir diesen Pastoralraum als neuen Wirkungsort vorstellen könnte.» 

Kein Thema beim Vorstellungsgespräch war die Tatsache, dass Anna Engel geschieden ist. Im Leben laufe nicht alles so, wie man es sich erträume, sagt sie. «Das ist meine Situation, und dazu stehe ich. Ich glaube aber, dass mich die Erfahrung des Scheiterns, nach einer langjährigen Beziehung, sensibel sein lässt für Menschen in Krisen.» Sie selber schöpft in schweren Momenten Kraft aus dem Glauben, der sie trage im Vertrauen darauf, «dass wir als pilgerndes Gottesvolk unterwegs sind im göttlichen Auftrag.»

 

Keine Angst, sondern Vorfreude

Am 1. Oktober beginnt für Anna Engel ein neuer Lebensabschnitt. Keine Angst vor der Einsamkeit am neuen Wirkungsort? «Nein, ich freue mich auf das, was kommt. Das Luzerner Hinterland wird mein neuer Lebensraum.» Ganz allein sei sie ja nicht, sagt sie. «Ich kann mich hier einbringen und neue Menschen kennenlernen.» Aus-serdem pflege sie ihre bestehenden Freundschaften weiter und natürlich die Kontakte zu ihrer Familie, ihren vier erwachsenen Kindern und den drei Grosskindern. «Ich schätze es sehr, dass mich die Kinder auf meinem kirchlichen Weg immer unterstützt haben und sich für mich freuen.»

 

Sie mag es offen und direkt

Am 10. und 11. Oktober wird Anna Engel in Zell die ersten Gottesdienste in einer ihrer neuen Gemeinden feiern. Und am 25. Oktober findet in der Pfarrkirche Grossdietwil die offizielle Amtseinsetzung von Anna Engel als Pastoralraumleiterin und Gregor Glogowski als leitenden Priester statt. Einen Wunsch hat die neue Pastoralraumleiterin an die Gläubigen: «Ich bin ein offener Mensch und schätze es sehr, wenn auch die Leute offen und direkt auf mich zukommen.» 

Astrid Bossert Meier

Der Pastoralraum LU 26 mit vier Pfarreien

Hinterland Gleichzeitig mit dem Amtsantritt von Anna Engel wird per 1. Oktober 2020 der neue Pastoralraum Luzerner Hinterland, LU 26, errichtet. Dazu gehören die Pfarreien Zell, Grossdietwil, Ufhusen und Luthern. Anna Engel wird diesen Pastoralraum leiten und übernimmt damit die Hauptverantwortung für alle vier Pfarreien. 

Der Regionale Kirchenrat (Vertretende aller vier Kirchgemeinden) arbeitete gemeinsam mit Bischofsvikar Hanspeter Wasmer schon seit Längerem an der Errichtung des neuen Pastoralraums LU 26. Ziel des Pastoralraums ist, dass die Seelsorgenden, Sekretärinnen, Katechten, Jugendarbeiterinnen, Sakristane und Kirchenmusikerinnen der vier Pfarreien zu einem Team zusammenwachsen und Synergien nutzen. Mit einem gemeinsamen Pastoralkonzept wollen die Verantwortlichen den vielfältigen religiösen Bedürfnissen der Menschen weiterhin gerecht werden und ihnen die Möglichkeit bieten, an Angeboten im ganzen Pastoralraum teilzuhaben. Ab 1. Januar 2021 wird der Pastoralraum LU 26 voraussichtlich mit einem gemeinsamen Logo, einem gemeinsamen Pfarreiblatt und später auch mit einer gemeinsamen Homepage auftreten. 

Im Bistum Basel, zu welchem zehn Kantone gehören, sind von den rund 100 geplanten Pastoralräumen ungefähr drei Viertel fertiggestellt. Im Kanton Luzern wurden in den letzten Jahren 20 Pastoralräume errichtet, darunter beispielsweise Hürntal (LU 22), im Rottal (LU 18), Pfaffnerntal, Rottal, Wiggertal (LU 24) oder neu Luzerner Hinterland (LU 26). Sieben Pastoralräume sind in Planung, unter anderem LU 25 mit den Pfarreien Menznau, Menzberg, Geiss, Willisau, Hergiswil und Gettnau oder LU 23 mit den Pfarreien Altishofen, Nebikon, Schötz/Ohmstal und Egolzwil/Wauwil. boa.

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