Schweine: «Einen solchen Preissturz gab es noch nie»

Der Markt brach ein, die Preise waren rekordtief: Die Schweinebranche hat turbulente Monate hinter sich. Landwirte wie der Kottwiler Franz Schwyzer bibberten um den Betriebszweig Schweinemast. Das soll künftig nicht mehr passieren, hält der Altishofer Suisseporcs-Präsident Meinrad Pfister fest.

Der Kottwiler Franz Schwyzer hält seit über 23 Jahren Mastschweine. Eine solche Krise wie jene von 2022 hat er noch nie erlebt. Foto Chantal Bossard
Chantal  Bossard

«Historisch», kann man den Tiefstand nennen, den die Schweinepreise im vergangenen Jahr erreicht haben. Oder, wie es viele Luzerner Bauern ausdrücken würden: «beschissen». Sie waren besonders vom Preissturz betroffen, schliesslich ist die Schweinehaltung der wichtigste Betriebszweig der Luzerner Landwirtschaft. Jedes dritte der knapp 1,4 Millionen Schweine in der Schweiz lebt im Kanton Luzern. In normalen Jahren erwirtschaften die Luzerner Schweinebauern einen Umsatz von circa 330 Millionen Franken – das sind rund 30 Prozent des Gesamtumsatzes der Luzerner Landwirtschaft. Doch vom Normalzustand waren die Schweinemäster und -züchter 2022 weit entfernt: Nicht mal mehr drei Franken pro Kilo geschlachtetes Schwein bekamen sie ausbezahlt – kostendeckend wären rund 4.50 Franken. «Einen solchen Preissturz habe ich noch nie erlebt», sagt der Kottwiler Franz Schwyzer. Der Landwirt hält seit über 23 Jahren Mastschweine mit 360 Plätzen – «aufgestockt habe ich nie». Die «noch nie da gewesene» Krise, so der 55-Jährige, treffe die Bauern auch deshalb so hart, weil die Kosten gleichzeitig gestiegen seien. «Futter, Transporte und Energie sind deutlich teurer geworden.» Er habe «Glück im Unglück» gehabt und sich dank gutem Abnehmer über Wasser halten können. «Gebibbert habe ich auch – aber andere sind auf dem Zahnfleisch gelaufen.» Zahlreiche Berufskollegen hätten gar draufgezahlt, sich verschulden müssen, um etwa die Futterkosten zu bezahlen.

Problem: Einkaufen im Ausland
Wie konnte es so weit kommen? Die Branche spricht gerne vom «Schweinezyklus» – davon, dass die Preise mal höher, mal tiefer sind. Angebot und Nachfrage an Ferkeln für die Mast und an Schlachtschweinen bestimmen den Preis. Dieser Zyklus macht dann auch den Preis – bei einem hohen Preis wird mehr produziert, bei einem tiefen Preis weniger. Der Markt reguliert sich selbst. Eigentlich. Denn 2022 verlor er komplett an Gleichgewicht. Grund für die Misere ist – einmal mehr – die Pandemie. Da der Einkaufstourismus im nahen Ausland durch die Massnahmen zum Erliegen kam, wurde vermehrt Schweizer Schweinefleisch konsumiert. Und somit auch produziert. «Mit der Aufhebung der Massnahmen im Sommer 2022 kehrte auch der Einkauf über der Grenze zurück und wir hatten auf einen Schlag eine Überproduktion von Schweinen», sagt Meinrad Pfister, Präsident von Suisseporcs. Der Schweineverband hat die Landwirtinnen und Landwirte mehrmals vor jener Überproduktion gewarnt, doch es sei «illusorisch» zu glauben, dass sich über 5000 Schweinehalterinnen und Schweinehalter zu einer freiwilligen Produktionssenkung verpflichten würden. «Jeder hofft, der andere tut es vielleicht.» Durch die Überproduktion kam es zu einem «Rückstau»: «Wir Schweineproduzenten mussten längere Zeit warten, bis unsere Mastschweine abgeholt und zum Schlachthof gebracht werden können», sagt Franz Schwyzer. Die Tiere seien schwerer als gewöhnlich geworden – und hätten gleichzeitig die Plätze belegt, in die Ferkel von den Zuchthöfen nachstossen sollten. Bei ihm habe es «zum Glück» nur Verzögerungen von bis zu einer Woche gegeben. Die Veterinärbehörden waren jedoch schweizweit alarmiert und riefen die Bauern dazu auf, die Vorschriften einzuhalten. «Uns sind keine Vergehen bekannt», hält Meinrad Pfister fest. Laut Umfragen der NZZ am Sonntag bei den kantonalen Veterinärämtern sei es nur zu «wenigen vereinzelten Tierschutzverstössen» gekommen.

Die Massnahmen gegen die Krise
Um eine Tierschutzkrise zu verhindern, erarbeitete die Brancheorganisation Proviande auf Initiative von Suisseporcs Massnahmen, um den Markt zu entlasten. Einerseits wurde eine Einfrieraktion von Schweinefleisch beschlossen: Um die 15 000 Schlachtschweine wurden aus dem Markt genommen und eingefroren. Finanziert wurde diese Einfrier-Aktion vom Bundesamt für Landwirtschaft aus dem ordentlichen Budget für Marktentlastungsmassnahmen mit knapp zwei Millionen Franken. Anderseits wurde als Entlastung der Export von Schweinefleisch lanciert. Für die Finanzierung wurde ein Fonds gebildet. Pro Kilogramm Schweinefleisch wurden 20 Rappen eingezogen, der Hauptteil wurde von Schweinemästern wie Franz Schwyzer bezahlt, ein kleiner Teil auch von den Viehhändlern. «So konnten gut 30 000 Schweine exportiert werden», so Pfister. Der Export sei in «Hälften und Wurstfleisch» erfolgt. Wer ist der Käufer? Die Branche hüllt sich in Stillschweigen. Nur so viel: «Dank einem gesunden Markt und guter Nachfrage war dieses Fleisch in der EU sehr gefragt», sagt Pfister.

Meinrad Pfister aus Altishofen ist Präsident des Schweineproduzenten-Verbandes Suisseporcs. Foto zvg

Stabiler Markt
Mit den beiden Massnahmen wurde das Ziel erreicht. «Der Markt ist momentan wieder im Lot», so der Suisseporcs-Präsident. Man sei sich in der Branche einig: «Damit konnte eine Tierschutzkrise verhindert werden.» Somit gelten nun seit Mitte März bei den Schlachtschweinen wieder die normalen Marktpreise. Heisst: Die Exportbeiträge fallen weg. Die Lage bleibt aber aufgrund der tiefen Schlachtzahlen und der zu hohen Schlachtgewichte noch immer angespannt. Und: «Was uns noch immer beschäftigt, sind die überzähligen 60 000 Mastplätze.» Die Produktionskapazitäten müssten abgebaut werden, um wieder kostendeckende Preise erzielen zu können. «Schwankungen sind normal und die Betriebe können damit umgehen. Eine derartige Krise mit so tiefen Preisen ist aber eine wahnsinnige Belastung und darf sich nicht wiederholen», hält Meinrad Pfister fest. Eine Arbeitsgruppe der Suisseporcs erarbeitet momentan mögliche Massnahmen, um ein solches «Marktversagen» in Zukunft zu verhindern. «Es ist dann an den Produzenten und Händlern, sich zu diesen zu bekennen und sie umzusetzen.»

Finanzielle Abhängigkeiten
Auch Franz Schwyzer wünscht sich, dass eine solche Krise künftig nicht mehr vorkommt. Gefragt sei jedoch nicht nur ein Abbau von Mastschweinplätzen. «Es sind nicht nur die Bauern für diese Krise verantwortlich.» Mit ein Grund für das Ausmass sieht der langjährige Mastschwein-Bauer nämlich auch in den finanziellen Abhängigkeiten zwischen Landwirten, Futtermühlen oder Handelsbetrieben. Diese hätten sich Umsatzmöglichkeiten geschaffen, indem sie Neu- oder Umbauten von Schweineställen mitfinanziert hätten. Schwyzer schaut solche Abhängigkeiten kritisch an. «Für eine nachhaltige Lösung im Schweinemarkt müssen deshalb alle mit ins Boot geholt werden.»

Anmerkung der Redaktion: Dieser Beitrag ist Bestandteil der WB-Wirtschaftsbeilage vom Freitag, 24 März.

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