Kunst im Knast

Das alte Gefängnis Willisau als Galerie: Am vergangenen Donnerstag fand die Vernissage der Ausstellung «eingefangenen und ausgestellt» statt und begeisterte Kunstinteressierte von nah und fern. Noch bis am 8. November kann das vorübergehende Museum besucht werden.

Chantal  Bossard

Möglicherweise hat man sich ein Gefängnis immer so vorgestellt: vergitterte Fenster, schwere Türen, kalter Plattenboden und grelles Licht in den Gängen, das nicht zum Verweilen einlädt. Und genau das trifft man zuerst an, wenn man das alte Gefängnis in Willisau betritt – und dann wird alles ganz anders. Die zehn Zellen, die Dachterrasse und der Vorplatz wurden von Schweizer Künstlerinnen und Küntlern gestaltet und präsentieren sich von unterschiedlichsten Seiten. Ein Rundgang in Ausschnitten.

Endlosschleife im Käfig  
Die Zelle 1 ist der Auftakt: Mirko Baselgias Video «Lupus» zeigt das Leid eines Wolfes, der in seinem Käfig endlos im Kreis läuft. Der junge Künstler aus dem Bündnerland war von diesem Tier in einem Belgrader Zoo so bewegt, dass er die Szene ohne klare Absichten mit seiner kleinen Fotokamera festhielt. Jetzt kommt das Video in der Ausstellung zum Einsatz und wurde dafür mit der Vertonung der elf Cellos des berühmten «Va, pensiero» (Gefangenenchor) unterlegt. Die Beziehung zwischen Video und der kleinen, rustikal eingerichteten Zelle, in der es gezeigt wird, braucht keine Worte.

Lebenslänglich
Die Zelle 8 im zweiten Stock ist eine Wildmönchsklause. Eine Klause bietet Raum für geistige Arbeit und ermöglicht innere Auseinandersetzungen mit der Welt, Eindrücken, Einfällen – und mit sich selber. Der Willisauer Künstler Franz Steinmann schafft eine solche Klause, indem er seine Skizzenbücher für Denkanstösse und Inspiration zur Verfügung stellt. Diese Unikate beinhalten Wortspiele, Bilder, Zeichnungen, kurz: Schnipsel aus dem Alltag, die Steinmann neu zusammensetzt und collageartig anordnet, wodurch sie ihren ursprünglichen Sinn verlieren. Das vermeintlich Gegebene und Gewisse unseres Lebens wird so auf den Kopf gestellt und zwingt uns dazu, die Dinge immer wieder neu zu betrachten: «Es ist ein lebenslanger Erkenntnisprozess. 1970 habe ich damit angefangen, die Bücher mit dem zu füllen, was mich beschäftigt und das geht immer weiter.» Das Prädikat lebenslänglich erhält hier eine ganz neue Bedeutung. Steinmann lädt ein, die Gefangenschaft in einer Zelle als Chance für innere Freiheit zu betrachten.

Drumherum
Beim Ausstellungsbesuch sind nicht nur zufriedene Besucherinnen und Besucher zu sehen, sondern auch zufriedene Vereinsmitglieder. ArtWillisau organisierte die Ausstellung und es gelingt ihnen damit, ein einmaliges Kunstprojekt in Willisau zu lancieren. An der Vernissage ist das grosse Engagement des Vereins spürbar: Die Präsidentin Romy Lipp nimmt sich Zeit, um den Interessierten die Kunstbeiträge näher zu bringen und im Zelt auf dem Vorplatz werden alle mit Wein und anderen Köstlichkeiten versorgt.
Ein weiteres Highlight ist die Dachterrasse, deren Wände das Kollektiv QueenKong und Apollo 7 in reizvollem Farb- und Motivgegensatz besprayt hat. Bei der Vernissage zeigt sich, dass nebst dem Zelt auch dieser Raum gerne als Aufenthaltsort genutzt wird und sich dort die Besucherinnen und Besucher über das Gesehene austauschen. Die Dachterrasse ist aber noch mehr: An jedem Ausstellungssamstag findet hier ein Austausch mit Expertinnen und Experten zum Thema Gefängnis und Strafrecht statt, der vom Verein Aktion Kultur Willisau (AKW) organisiert wird. AKW hat zudem bei der Ausstellungsbegleitung mitgewirkt. Beispielsweise regen in der Gefängnisküche Fragen zum Thema Freiheit und Gefangenschaft zum Nachdenken an: «Wer oder was gehört deiner Meinung nach hinter Gitter?» Die Antworten können direkt an die Wände, an den Boden oder in die Schränke geschrieben werden, da das Gefängnis in naher Zukunft abgerissen wird. Wer also die einmalige Chance verpasst, das Gebäude einmal von innen zu sehen und gleichzeitig zeitgenössiche Kunst vom Feinsten zu erleben, ist selber schuld.

von Eva Lichtsteiner

Ausstellungsdauer: 16. Oktober bis 8. November. Öffnungszeiten: Freitag, 17 bis 21 Uhr, Samstag, 10 bis 16 Uhr, Sonntag, 10 bis 16 Uhr.

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