Kirchenrat setzt der Farbenpracht ein Ende

Bänke, Tisch, Steinwürfel und Abfalleimer sind im Lustgarten nur noch bis am Dienstagabend bunt umhäkelt. Der Kirchenrat hat die Räumung der kreativen Gemeinschaftsarbeit angeordnet. Warum?

Die beiden Initiantinnen der Installation: Karin Wiprächtiger (l.) und Rita Bieri Aregger. Foto ibs
Norbert Bossart

Ein aussergewöhnlicher Farbtupfer im Willisauer Ortsbild: Dies war der Lustgarten bei der Heilig-Blut-Kapelle, vor den Toren des Städtlis, seit Mitte Juni buchstäblich. Dafür hat eine Gemeinschaftsarbeit mitten in der Cornona-Zeit gesorgt. Diese haben Rita Bieri Aregger und Karin Wiprächtiger initiiert. Sie organisierten eine Häkelaktion, bei der 51 Haushalte mitmachten. Insgesamt 21,7 Kilometer Garn wurden zu kunterbunten Werken verarbeitet. Damit haben die Projektmacherinnen im Lustgarten Bänke, Sitzklötze, Tisch und sogar den Abfalleimer eingepackt. Das Einpacken erfolgte über Nacht. Dies ohne die Besitzerin des öffentlichen Gartens, die katholische Kirchgemeinde Willis-au, im Vorfeld zu informieren. Vorerst tappten in Willisau nicht nur der Kirchenrat, sondern auch die Passanten im Dunkeln, wer hinter dieser besonderen Aktion steckt. Der WB suchte darauf auf den Online-Kanälen nach den Schöpferinnen und Schöpfern des neuen Farbtupfers, der in weiten Bevölkerungskreisen grosses Lob erntete. Aufgrund von Hinweisen aus der Leserschaft konnten die zwei Hauptinitiantinnen Rita Bieri Aregger und Karin Wiprächtiger und ihre Beweggründe vorgestellt werden.
 

Kirchenrat verordnet Räumung

Am Dienstagabend, 14. Juli, räumen nun die zwei besagten Frauen mit ihrem Helferteam die Häkelarbeiten wieder weg. Grund: Der Kirchenrat hat die Entfernung mit einem eingeschriebenen Brief angeordnet. Davon hatten erneut mehrere Leserinnen und Leser die Redaktion in Kenntnis gesetzt, welche noch länger Lust auf einen farbigen Lustgarten hätten. So erkundigte sich der WB bei den beiden Initiantinnen nach den Details der jüngsten Entwicklung. Der Kirchenrat habe im besagten Schreiben festgehalten, die Räumung müsse bis am 19. Juli erfolgen, liessen sie verlauten. Werde der Aufforderung nicht nachgekommen, entferne die Kirchgemeinde die Häckelarbeiten am 20. Juli. Zudem würden die Kosten der Entsorgung und eventuelle Folgeschäden in Rechnung gestellt. Bei den möglichen Folgeschäden führt der Kirchenrat im Brief die beiden Stichworte «Verfärbungen» und «Holzfäulnis» ins Feld. 

Foto Norbert Bossart

Kirchenrat will keinen Präjudizfall schaffen

Doch warum ordnet die Kirchenbehörde die Räumung an? Die Aktion sei zwar «mit viel Herzblut» gestartet worden und «ein schönes Gemeinschaftswerk in der Corona-Zeit», sagt Kirchenratspräsidentin Evelyne Huber-Affentranger. «Doch mit der Kirchgemeinde, der Besitzerin des Lustgartens, wurde im Vorfeld nie das Gespräch gesucht. Die Häkelarbeiten wurden ohne Genehmigung – also illegal – angebracht.» Und: Selbst ein Ende der Aktion sei dem Rat nicht signalisiert worden. Eine Genehmigung für eine solche Aktion sei unabdingbar. «Die Kirchgemeinde will keinen Präjudizfall schaffen», sagt Kirchenratspräsidentin Evelyne Huber und gibt zu bedenken: «Wir haben zahlreiche weitere Liegenschaften. Stellen Sie sich beispielsweise vor, jemand würde die Kirche oder die Heilig-Blut-Kapelle ohne das Okay des Kirchenrates für eine Installation nutzen.» Zudem führt die Kirchgemeinde auch Rückmeldungen aus der Bevölkerung für die Räumung ins Feld. So hätten Nutzer des Lustgartens reklamiert, nach Regen seien die Sitzgelegenheiten wegen den Häkelarbeiten lange, zu lange nicht nutzbar.
 

Das sagen die Initiantinnen

Doch weshalb liess das Duo Bieri/Wiprächtiger im Vorfeld die Aktion nicht vom Kirchenrat absegnen? «Überraschungen lassen sich nicht vor-anmelden, sonst sind es keine Überraschungen mehr», hielten die beiden Frauen gestern auf WB-Nachfrage fest. «Unser Gemeinschaftswerk sollte für Freude und Farbe sorgen», sagt Rita Bieri Aregger. Karin Wiprächtiger ergänzt: «Wir wollten in der schwierigen Zeit des Lockdowns etwas Abwechslung in den wohl meist monotonen Alltag einfliessen lassen und Lust auf das Häkeln wecken.» Ein grosses Anliegen sei es gewesen, im Lustgarten nichts zu verunstalten oder zu beschädigen. «Bewusst haben wir Wolle verwendet, die weder abfärbt, noch nach einem Regen lange nass bleibt.» Mit grosser Vorsicht seien die Häkeldecken montiert worden. Das grosse, positive Echo von Lustgarten-Besucherinnen und -Besuchern aus nah und fern sei eine wahre Freude gewesen. «Wir sind froh, dass wir die Willisauerinnen und Willisauer wenigstens für eine kurz Zeit beglücken konnten», halten die zwei Initiantinnen fest. «Die vielen positiven Rückmeldungen zeigen uns, dass wir den Zeitgeist getroffen haben.»

Foto Norbert Bossart

Der Güselkübel als Leuchtturm?

Rita Bieri und Karin Wiprächtiger haben nun dem Kirchenrat die Räumung des Lustgartens auf diese Woche schriftlich angekündigt und ihm gleichzeitig ihre Gesprächsbereitschaft mitgeteilt. Zu einer Aussprache kam es nicht. So wird wie erwähnt heute Dienstagabend, ab 19 Uhr, die Entfernung der Häkelarbeiten in Angriff genommen. «Schön wärs, wenn wenigstens ein kleines Detail an die grossartigen Installation erinnern dürfte», liess ein Leser verlauten. Sein Vorschlag: «Zumindest die Häckelarbeiten am Abfalleimer dürfen nicht im Güsel landen. Ein farbiger Leuchtturm für einen sauberen Lustgarten sollte doch den Segen des Kirchenrats finden.» Doch dieser Segen ist gar nicht nötig. Der besagte Abfalleimer gehört nicht der Kirch-, sondern der Einwohnergemeinde.

Norbert Bossart

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T. Meister

Fr 17.07.2020 - 11:31

Schon fast unfassbar, wie einseitig und parteiisch der WB diesen Bericht verfasst hat.. Schade!
Fakt ist, dass die Häckeleien ohne Bewilligung an fremden Eigentum angebracht wurden und dieses dadurch für diesen Zeitraum unbrauchbar waren. Das Vorgehen der Kirche entspricht 1:1 dem korrekten (und kulanten) Vorgehen! Sie hätte auch einfach von Anfang an eine Räumung veranlassen können und Anzeige gegen Unbekannt erstatten.
Grosses Lob und positives Echo? Ich habe genau Gleiches aber auch Gegensätzliches erfahren und gehört! Weder Tisch noch Bank waren trocken (Wolle die nicht lange nass bleibt..?) Anstelle sich hinter vermisster Verhältnismässigkeit oder der Begründung einer ‚guten Idee‘, Überraschung, etc. zu verstecken, wäre es angebracht, vielleicht von Anfang an korrekterweise anzufragen und ein allfälliges Nein akzeptieren zu können. Vllt. wäre der Lustgarten nämlich noch heute eingekleidet (und damit unbrauchbar für die Benutzung) und würde teilweise Freude verursachen.

Meier

Fr 17.07.2020 - 10:56

Ich bin froh ist die Wolle weg. Ich konnte mich in meiner Pause nie draufsetzten aufgrund Ekel&nass. Es war für eine kurze Zeit da und jetzt ist es endlich wieder weg. Danke lieber Kirchenrat.

Zwimpfer

Do 16.07.2020 - 19:08

Einfach nome schad...
Statt ofenand zuegoh ond ou mou e gueti Idee vo öpper anderem z'respektiere ond z'gutiere, versteckt sech de Chelerot hender em Rächt ond dr Ornig! Do fäuht mer Dialogsbereitschaft ond d'Verhäutnismässigkeit.
Cha sech das e ufgschlossni Chele öberhoupt hötzotags no leischte? Ech ha do grossi Zwiefu!

willisoph

Di 14.07.2020 - 22:14

Nachgedanken

Wenn ich nachdenklich nachdenke dann denke ich,
was ist blos im lustlosen Garten los?
Kommt nun, da der frohen Wolle die Farb' genommen
der Mensch wieder benommen verschwommen
virenschwer daher?
Durchhastet mit gehemmter Luft belastet ungerastet die Zeit?
Denn es tat gut,
wenn schwere Gedanken im wollfarbigen Moos versanken
Und die Seel' konnt' sich frisch mit wasserquirliger Musik betanken

Karin und Rita - DANKE!

HERZOG

Mo 13.07.2020 - 17:35

Echt trurig als Jahrzehnte langer Nachbar vom Lustgarten war dies die tollste Überraschung. Für mich als Nachbar echt verrückt was der Kirchen Rat da macht. Wenn die Räte früher auch so kleinlich reagiert hätten als die kleine Drogenzene im Lustgarten war, damals hatten sich die Räte zurückgezogen... Einfach nur kleinlich, ein sehr grosses Dankeschön den Frauen für ihren Mut und Einsatz. Hoffe auf weitere gute und farbige Impulse
Ledi vom Seilihus

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