Sie hat die Freiheit gefunden

Seit zehn Jahren steht Nadja Limacher alias Anna Mae als Musikerin auf der Bühne. Mit dem WB zog die Willisauerin Bilanz über ihr Musiker-Dasein. Und wagt einen Blick in die Zukunft.

Nadja Limacher alias Anna Mae. Foto zvg
WB Reporter

So eine Country-Göre halt. Ein bisschen Line Dance, ein bisschen Howdy, ein bisschen Whisky. Kaum macht sie die Tür zur Blockwohnung auf und bittet einen lächelnd in die Stube, ist klar: So ist Nadja Limacher nicht. Sie ist nicht «Sex, Drugs and Rock 'n' Roll». Sie ist sanftmütig, bedächtig, tiefsinnig. Und trotzdem ist ihr Spirit derselbe, wie der der grössten Country-Legenden: der Drang nach Freiheit. Ein Drang, der sie vor vier Jahren springen liess. Von einer Klippe. In die Ungewissenheit.

«Ich wusste, ich muss es tun»
Die Klippe, das feste Land unter ihren Füssen: das war der Bürojob, in dem die gelernte Kauffrau Teilzeit arbeitete. Der Sprung: die Kündigung. «Ich wusste nicht, ob es gut endet, aber ich wusste, dass ichs tun muss», sagt Nadja Limacher. Ihr sei es nicht gut gegangen damals, sie sei traurig gewesen, eingeengt, angespannt. Schwer vorstellbar heute, wie sie am Küchentisch ihrer Wohnung in Willisau sitzt, die Ärmel des Jeanshemds hochgekrempelt, total entspannt. «Ich bereue es nicht.» Dass sie vor vier Jahren gekündigt hat. Dass sie sich entschlossen hat, voll auf die Karte Musik zu setzen.

Ihr ständiger Begleiter
Die Musik zieht sich wie ein roter Faden durch Nadja Limachers Leben. Bereits als kleines Mädchen tritt sie bei Familienfesten auf, liebte Melodien, Rhythmen, Texte. Und seit jeher liebt sie die Countrymusik, die sie heute selbst spielt. Als die Familie für rund drei Jahre nach Frankreich auswanderte, da war die Musik ihre Stütze, gab ihr in der Fremde Halt. Mit im Gepäck zurück: eine Gitarre, eine Querflöte und französische Chansons. In Willisau absolviert sie die Wirtschaftsmittelschule, singt in Schülerbands, nimmt Gesangsunterricht, tritt hier und da mal auf. Dann, vor zehn Jahren, ist «Anna Mae» geboren. Zum zweiten Mal, um genau zu sein. Denn Nadja Limacher hat sich Tina Turners Geburtsname zum Künstlername gemacht. Inspiriert von deren Leben, beeindruckt von ihrem Talent, überzeugt von ihrer Energie. «Tina Turner ist eine Powerfrau.» Diese Power, Limacher wollte sie mitnehmen in ihre eigene Karriere, war unter ihrem Künstlernamen erstmals als Solokünstlerin unterwegs. Gesang begleitet von Gitarre und Gewissheit. Gewissheit, dass genau das ihr «Ding» ist.

Wie eine Therapie
Nadja Limacher will die Musik nicht nur in ihrem Leben, sie braucht sie. «Die Musik ist wie eine Therapie für mich», betont sie im Gespräch mehrmals. Mit Singen und Liederschreiben könne sie ausdrücken, verarbeiten, was in ihr vorgehe. «Das, was ich mit Worten nicht beschreiben kann, gelingt mir mit Musik», sagt sie. Die Hände wie zum Gebet gefaltet, wirkt sie ruhig und gefasst. Ohne dass sie es aussprechen muss, wird klar: Die Schattenseiten des Lebens, die sind der Willisauerin bekannt. Was sie beschäftigt, fliesst in ihre Songs. Trotzdem betont sie: Auf der Bühne gehe es ihr nicht darum, anderen ihre Probleme näherzubringen. «Viel mehr will ich die Kraft der Musik nutzen, um Menschen zu erreichen und sie zusammenzubringen.» Countrymusik eigne sich optimal dafür. «Lebendig, frei und ungestüm.»

Bekannt über die Landesgrenzen
Ihr Musikerleben hat Limacher schon früh etliche Höhepunkte beschert, mit vielen grösseren Auftrittserfahrungen: die Wild West Week im Sport Rock Café Willisau, den Supportact von Bastian Baker in der Schüür Luzern und das Country Alpen Open Air auf der Klewenalp. Regelmässig vor dem Mikrofon in Bars und auf Kleinkunstbühnen stand sie in London. Im September 2012 reist sie nämlich für ein Jahr in die brittische Metropole. Dort besucht sie den Vorkurs an der Tech Music School. Sie vertieft das Liederschreiben, knüpft Kontakte, wird selbstbewusster. Sie merkt: «Ich habe Ambitionen.» Zurück in der Schweiz erscheint die erste CD «Let it roll». Auch eine Single hat sie rausgegeben. Doch seit Längerem ist es ruhig um die Sängerin. Hat sie was in der Hinterhand? «Produziert ist noch nichts – aber viele Ideen schlummern im Hinterkopf.» Ihr Ziel wäre es, in den nächsten Jahren eine neue CD zu veröffentlichen. Ihr Traum? Fuss zu fassen in der Branche, auch über die Ländergrenzen hinweg bekannt zu werden. Und nicht jeden Monat «gerade so über die Runden zu kommen», wie das momentan der Fall sei. «Reich werde ich nie sein», sagt sie. Zumindest in finanzieller Hinsicht nicht. Reich an Mut: das ist sie. Denn sie hat sich getraut, ist von der Klippe gesprungen. Und hat die Freiheit gefunden.

Chantal Bossard

Anmerkung der Redaktion: Dieser Beitrag entstand vor den Notstandsmassnahmen.

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