Umfahrungsvarianten werfen Fragen auf

Der Kanton stellt erste Varianten für eine Umfahrung der beiden Gemeinden vor. An der Infoveranstaltung vom Dienstagabend sorgten diese für einen Grossaufmarsch – und etliche Fragen.   
 

Hatte alle Hände voll zu tun: Nicole Frank moderierte gekonnt die Diskussionsrunde. Die Anwesenden meldeten sich mit vielen Voten und Fragen. Fotos Chantal Bossard
Chantal  Bossard

«Zum Bersten voll.» Ein Ausdruck, der meist völlig übertrieben ist. Wer aber den Zustand im Saal des St. Mauritz vom Dienstagabend beschreiben möchte, der kommt nicht um diese Beschreibung herum. Die Sitzplätze an den Tischen waren bereits eine Viertelstunde vor Versammlungsbeginn komplett besetzt. Weitere Stühle wurden geholt und überall der Wand entlang platziert – in zwei Reihen. Und trotzdem hatte es nicht genügend Sitzplätze für all die Interessierten, die ins Schötzer Gasthaus pilgerten. Sie alle wollten dabei sein, wenn der Kanton die Ergebnisse für eine mögliche Umfahrung um Schötz und/oder Alberswil präsentiert. Und viele von ihnen hatten etliche Fragen.

Der Saal des St. Mauritz Schötz am Dienstagabend, 23. Mai.


Um das geht es
Die Kantonsstrasse K11 durch Alberswil und Schötz ist für die Region eine wichtige Strecke. Sie führt zum Autobahnanschluss in Dagmersellen oder nach Willisau und Wolhusen. Der Verkehr auf der Hauptstrasse hat in den letzten Jahren konstant zugenommen. Gemäss Auswertungen des Kantons Luzern durchqueren pro Tag zwischen 7000 und 10 000 Fahrzeuge die beiden Dörfer, davon viele Lastwagen. Zu Spitzenzeiten an einem Werktag sind es 100 bis 110 Lastwagen, welche pro Stunde durch Schötz fahren. Das bringt hohe Lärmbelastungen mit sich. In den Siedlungsgebieten werden die Grenzwerte durchgehend überschritten. Das Verkehrsproblem ist altbekannt und sorgt seit vielen Jahren für angeregte Diskussionen. Doch wie genau soll es gelöst werden? Diese Frage soll von einem Planungsteam des Kantons im Rahmen einer Zweckmässigkeitsbeurteilung beantwortet werden. Mit dieser sogenannten ZMB – eine Abkürzung, die am Dienstagabend oft fiel – soll das Verkehrsproblem «ganzheitlich analysiert» und Lösungsvarianten «systematisch beurteilt» werden. Der ganze Prozess hat drei Phasen und nimmt rund zwei Jahre in Anspruch. «Heute sind wir hier, weil die Phase eins abgeschlossen ist und die ersten Resultate zu diesem zukunftsträchtigen Projekt vorliegen», fasst die Schötzer Gemeindepräsidentin Regula Lötscher-Walthert in ihren Begrüssungsworten vor der Versammlung zusammen. Projektleiter André Rösch ergänzte: «Wir informieren, wo wir heute stehen und wie es weitergeht.»

Die Varianten
15 verschiedene Varianten wurden geprüft – von weitläufigen Umfahrungen bis hin zu einem Zentrumstunnel unter dem Dorf Schötz. Einige Varianten hätten sich als «wenig zielführend» erwiesen. So werden etwa die Varianten mit einem Zentrumstunnel oder auch einem Tunnel durch den Buttenberg ausgeschlossen, «weil diese sehr kostenintensiv sind, ohne einen zusätzlichen Nutzen zu anderen Varianten zu bringen», wie Gianni Moreni, Leiter Verkehrsökonomie und -beratung beim Planungsbüro RAPP, erklärte. Auch eine öV-Variante wird in der ZMB nicht weiterverfolgt. Die 6500 Meter lange Bahnstrecke zwischen Nebikon und Willisau führe bei «sehr hohen Kosten zu keiner spürbaren Reduktion des Strassenverkehrs». Die Strecke sei auf ein regionales S-Bahnangebot beschränkt und hätte somit keine wesentliche Bedeutung für den Gütertransport.
Zehn Varianten wurden in dieser ersten Phase mithilfe solcher Überlegungen ausgeschlossen. Fünf Lösungsvarianten liegen vor, welche in einer zweiten Phase näher untersucht werden. Welche das sind, erläuterte der Kanton bereits Anfang Mai in einer Medienmitteilung. Der WB berichtete ausführlich darüber und stellte jede Variante im Detail vor (Ausgabe vom 5. Mai, Nr. 35. Der Artikel ist auch unter willisauerbote.ch aufgeschaltet). Nebst einer Variante Null+, bei welcher die bestehenden Strasseninfrastrukturen angepasst würden, gibt es vier Optionen mit Umfahrung.
Als Gesamtumfahrungen kommen die Umfahrungen von Alberswil und Schötz Ost und West bis Kreisel Burg­rain in Frage. Als Lösungen, die nur das Siedlungsgebiet von Schötz umfahren, werden die Varianten Schötz Ost und Schötz West weiterverfolgt. «Erste Analysen zeigen, dass die Umfahrungen im Osten die Siedlungsgebiete besser vom Verkehr entlasten als die Varianten im Westen», hielt Moreni bei der Präsentation fest. Der Grund liege bei den «grösseren Distanzen zu den Dörfern und den damit verbundenen Umwegfahrten». Jedoch würden die Ostvarianten teilweise durch das Schutzgebiet Wauwilermoos verlaufen, das im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler (BLN) erfasst sei, gab Moreni zu bedenken. «Ob eine Ostumfahrung durch das Schutzgebiet möglich ist, gilt es erst noch mit dem zuständigen Bundesamt abzuklären.»

Eine angeregte Diskussion
Doch ob möglich oder nicht, die Meinung von vielen Interessentinnen und Interessenten schien bereits am Dienstagabend gemacht. So zeigte sich bei den zahlreichen Voten der Diskussionsrunde, welche von Nicole Frank versiert moderiert wurde. Die Ost-Umfahrungen kamen dabei nicht gut weg. «Eine Ost-Umfahrung ist keine Option», hielt etwa der Schötzer SVP-Kantonsrat Toni Graber gleich von Anfang an fest. Bereits 2017 habe er im Kantonsrat einen Vorstoss gemacht gegen «diese unselige Variante». Und nun gelte diese erneut als mögliche Option. «Jener Vorschlag zur Westumfahrung, welche wir in der Begleitgruppe erarbeitet haben, wird gar nicht beachtet. Stattdessen hat die Planungsgruppe sehr kreativ weitergearbeitet», so Graber mit ironischem Unterton. Er schloss sein Votum mit deutlichen Worten: «Die gezeigten Westumfahrungen sind unrealistisch. Die Ostumfahrung soll vergessen werden. Bei dieser Ausgangslage kommt nur noch die  Variante Null+ infrage. Dafür setze ich mich ein, das ist jetzt meine pensions-politische Aufgabe.» Gelächter und tosender Applaus von vielen Anwesenden.
Die Schötzerin Astrid Wey knüpfte in ihrem Votum an die Aussagen von Toni Graber. «Es wäre wichtig, aktiv mit der Bevölkerung vor Ort zu sprechen, welche die Gegend kennt. Hier ist niemand für die Ostvariante.» Wie Graber, sprach auch sie die besagte Westumfahrung über Gettnau an, die verworfen worden sei: «Es ist massgebend, dass diese Variante nochmals angeschaut wird. Denn die Strasse besteht zum grössten Teil schon und könnte mit einem kleinen Aufwand ausgebaut werden. Die Variante würde nicht viel Kulturland kosten und eine massive Verbesserung für Schötz bedeuten.» Das Gegenargument von der längeren Reisezeit verstehe sie nicht. «Vielleicht fünf Minuten mehr, was sind die schon im Vergleich zu massiv mehr Lebensqualität im Dorf? Wieso also wurde diese Variante gestrichen?» Gianni Moreni antwortete: «Wir haben die Idee einer Westumfahrung über Gettnau von Anfang an weiterverfolgt.» Doch man wolle den Verkehr nicht bloss von Schötz und Alberswil auf Gettnau verschieben. «Diese Strassen existieren ja bereits, sind jedoch bei den Verkehrs­teilnehmenden offensichtlich unbeliebt und werden wenig genutzt.» Also hätte man andere Optionen untersucht und festgestellt, dass mit den präsentierten Lösungen bessere Ergebnisse erzielt würden. Diese Varianten seien zudem aufgrund kürzerer Reisezeit umweltfreundlicher.

Gettnau als Umfahrungsvariante
Trotz dieser Erklärung ist bei den Anwesenden eine Umfahrung auf bestehenden Strassen über Gettnau längst nicht vom Tisch. Auch, weil diese Variante nicht so hohe Auswirkungen auf die Fruchtfolgeflächen hätte, wie die vier gezeigten Umfahrungen. Der drohende Verlust an Ackerland sorgte bei anwesenden Landwirten für Kritik. Die Planungsgruppe versprach schliesslich: Man kläre nochmals ab, ob diese Umfahrungsoption erneut überprüft werden könnte. Ein Versprechen, welches wiederum dem Gettnauer Publikum Sorgen bereitet. Urs Gut wähnte sich in «der Höhle des Löwen»: «Ich habe Verständnis für die Schötzerinnen und Schötzer, kann die Abneigung gegen die Ostvarianten nachvollziehen», betonte er. «Doch ich wohne in Gettnau an der Hauptstrasse. Und auch bei uns ist der Schwerverkehr seit Jahren ein Thema.» Er verlangte von den Projektverantwortlichen: «Vergesst die Gettnauerinnen und Gettnauer nicht. Sollte eine solche Umfahrung über unser Ortsteil wieder ins Spiel kommen, wollen wir mitreden können.» Ähnliche Worte benutzte Toni Grob, ehemals Gemeindeammann von Gettnau: «Die Verkehrszahlen von Schötz und Gettnau sind vergleichbar, das muss man sich bewusst sein.»
Nicht nur verworfene Varianten wurden am Dienstagabend wieder aufs Tapet gebracht, auch neue mögliche Umfahrungsstrecken kamen zur Sprache. Das Planungsteam beteuerte etwa, auch nochmals zu überprüfen, ob ein Tunnel durch den Buttenberg in Richtung Beutler Nova nicht doch eine Möglichkeit wäre, die weiter untersucht werden müsste.

Ein langer Weg
Hinterfragt wurde auch die Dimension des Projekts. Mehrere Anwesende wollten wissen, ob es nicht Sinn machen würde, die gesamte Region miteinzubeziehen, statt nur die zwei Gemeinden. «Für mich ist das zu kleinräumig gedacht», sagte etwa der Alberswiler Stefan Albisser. «Der Transitverkehr geht durch das ganze Hinterland, da müsste man doch grossräumiger denken – und mindestens Willisau und Nebikon miteinbeziehen.» Projektleiter André Rösch versicherte, dass diese Schnittstellen sehr wohl beachtet würden. «Doch wir denken in Etappen, da die Projekte so zielführender sind.»

André Rösch, Leiter des Projekts.

All die Abklärungen haben bereits jetzt ihren Preis. Auf Nachfrage aus dem Publikum erklärte Rösch: Bereits die Phase eins rechnet sich mit rund einer halben Million Franken. Und der Weg ist noch lang: «In frühstens zehn bis 15 Jahren könnte die Umfahrung stehen.» Das letzte Wort habe die Politik: Dem Kantonsparlament wird in gut zwei Jahren ein finaler Vorschlag unterbreitet. «Wer diesen mitgestalten möchte, soll ruhig auf die Gemeinden zukommen», so Samuel Kreyenbühl, Gemeindepräsident von Ettiswil. Er zeigte sich erfreut über die vielen Anwesenden an diesem ersten Informationsabend. «Dass ihr hier seid, ist richtig und wichtig.»
Mit diesem Votum wurde die Diskussionsrunde geschlossen. Nicht aber das Diskutieren gestoppt. Etliche Anwesende wechselten nach der Veranstaltung vom Saal in die Gaststube des St. Mauritz. Gesprächsstoff gab es genug.

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