Wenn die Hölle los ist

Rekordverdächtig: Mindestens 15 000 Fasnächtlerinnen und Fasnächtler besuchten den Rottaler Umzug am Sonntag. Getreu dem Grosswanger Fasnachtsmotto war «die Hölle los». Zunftmeister Züku kann nur schwärmen: «Ich bin überwältigt!»

Chantal  Bossard

Es hat ihm die Sprache verschlagen. Als Peter «Züku» Zurkirch nach dem Umzug für den WB ein Fazit abgeben soll, hat er Mühe, seine Gefühle in Worte zu fassen. «Ich bin komplett überwältigt», sagt der Säulizunftmeister schliesslich und reiht Adjektiv an Adjektiv: fantastisch, unglaublich, unfallfrei, reibungslos, wunderschön. Der Umzug in Grosswangen habe seine kühnsten Erwartungen übertroffen – angefangen mit der Zahl der Besucherinnen und Besucher: «Das Dorf platzte aus allen Nähten.» Züku schätzt, dass am Sonntag zwischen 15 000 und 18 000 Zuschauerinnen und Zuschauer die Strassen säumten. In der Tat eine rekordverdächtige Zahl: Als der Rottaler Umzug 2018 das letzte Mal in Grosswangen durchgeführt wurde, waren es deren 10 000.

Mit einem Lastwagen durchs Dorf
Doch nicht nur die vielen Zuschauenden wussten zu begeistern. Denn die 1650 Mitwirkenden gaben für die 56 Umzugsnummern Vollgas. «Die 16 Guuggenmusigen waren in Höchstform, die vorgeführten Sujets bis ins Detail ausgearbeitet – allen Beteiligten gebührt ein grosses Dankeschön», so Züku. Besonders diejenigen Nummern, die extra für das Grosswanger Zunftmeister-  und Kanzlerpaar angefertigt wurden, hätten ihn «zu Tränen gerührt». Die Gruppe «Oberdorf und Kolonie» etwa, welche ihre Sujets ganz dem Leben des Säulizunft-Regenten widmete – «Zükus Biographie fahrt verbi». Die Gruppe baute Zükus Haus nach, verfrachteten einen waschechten Hotpot als Pool auf einen Umzugswagen – und schuf ein amüsantes Bild davon, wie elend es ihrem Meister wohl nach den wilden Fasnachtstagen ergehen wird. Und auch die MeyerBlech Technik, Zükus langjähriger Arbeitgeber, scheute für den Pensionär keine Mühe: Die Bude liess ihm zu Ehren prompt einen Lastwagen auffahren.
Kleiner, aber feiner die Nummer der Gruppe Oberdorf City: Dessen «Höllengestalten» aus dem «düsteren Westen» nahmen das Motto der Säulizunft beim Wort und beeindruckten mit ihrem detailreichen Wagen. Gepriesen wurden der Meister und die Meisterin natürlich auch bei den beiden anderen Rottaler Zünften. Für den Muggenzunftmeister Peter Ziswiler trieben etwa die gfürchigen Schlosswyher Spinnen ihr Umwesen, seine Nachbarn verkauften unter seinem Namen Vaudoise-Versicherungen, die «Texaner-Kollegen» schenkten in ihrer Bar Hochprozentiges aus.

Neue Waliant-Bank für Grosswangen
Nebst persönlichen, kamen in Grosswangen die gesellschaftlichen Themen nicht zu kurz: Der Jodlerklub Grosswangen stellte die gewaltige Überbauung im Heubächli kritisch infrage – wo bloss sollen all die neuen Kinder zur Schule? Keine Fragen, sondern Antworten lieferten hingegen die Wüschiswiler: Dem Wegzug der Valiantfiliale trotzt die Gruppe mit einer neuen Bank – der Waliant Bank Wüschiswil. Und auch die «Möösler» wissen sich zu helfen: Die Energiekrise bewältigen sie mit purer Muskelkraft. Ökologisch – und somit ganz zur Freude der Feldmusik Grosswangen. Die Musikantinnen und Musikanten tauschten ihre Instrumente gegen Sekundenkleber ein und wurden zu Klima-Aktivisten. «Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut.» Brisantes Statement – und doch verzogen die sieben höchsten Politikerinnen und Politiker der Schweiz keine Miene. Ja richtig: Dank den Oldtimer Traktorenfreunde Rottal war gar der Gesamtbundesrat auf den Grosswanger Strassen unterwegs.

Der Eizäpfer-Saloon sorgte für grosse Augen.

Bewunderter «Eizäpfer»-Saloon
Auch nach dem Umzug blieb die Fasnacht im Dorf. Besonders beliebt: der holzige Saloon des «Eizäpfer»-Clubs. Dessen Mitglieder sorgten eigenhändig für Western-Feeling im Luzerner Hinterland. «Das hed secher z tue gäh», sagte eine Besucherin staunend, als sie die originelle Bar betrachtete. Doch ob im Saloon oder sonst wo im gesamten Dorf: «Alle sassen sie zusammen, um die fünfte Jahreszeit zu zelebrieren», sagt Doris Müller, erste Kanzlerin der Säulizunft. Sie ist überzeugt: «Nach der langen, coronabedingten Durststrecke verspüren die Leute den Drang nach Gesellschaft.» Züku fügt hinzu: «Die Fasnacht ist Balsam für die Seele.» Auch – oder gerade weil – die Hölle los ist.

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