Mit ihm gehts «dronder ond dröber»

Ein Urfasnächtler hat in Grosswangen das Zepter übernommen. Säulimeister Walter Stöckli ist ein gradlinger Bänker, bei dem es in der Freizeit ab und zu «dronder ond dröber» geht.

Walter Stöckli, hier als Eingeborener, neuer Meister der Säulizunft. Foto zvg
Norbert Bossart

20.02.2020, Schmutziger Donnerstag, 6.00 Uhr: Walter Stöckli, der neue Meister der Säulizunft Stettenbach-Grosswangen, wird an der Grosswanger Tagwache parat sein. Denn Walter Stöckli ist kein Morgenmuffel, sondern ein notorischer Frühaufsteher. In aller Herrgottsfrüh lädt der 57-Jährige auch den WB-Reporter zum Gespräch und weckt auf Anhieb dessen Interesse. Mit kecken Sprüchen, die irritieren. So antwortet er auf die Einstiegsfrage «Wie goht's?»: «I chas mache ond söscht machi's einfach.» Will heissen? «Mir goht's guet, söscht machi öpis fausch!» Zügig und mit Enthusiasmus kommt Walter Stöckli auf «die schönsten vier Tage im Jahr» zu sprechen, wie er die Fasnacht nennt.
 

Der Motto-Treue

«Es soll an der Fasnacht ‹dronder ond dröber› gehen im Dorf», sagt der 57-Jährige. Seine Frau Esther (54) nickt. «Dronder ond dröber» heisst folgerichtig das Fasnachtsmotto des Meisterpaars. «Fasnacht ist die Zeit, um aus dem Trott auszubrechen, auf den Putz zu hauen und die Geselligkeit zu pflegen», sinniert Walter Stöckli. «Fasnacht bringt den Kontrast zum Alltag.» Gutgelaunte Leute, gesellige Runden – solche habe er gern. «Der eine oder die andere trinkt über den Durst und getraut sich eher süffisante Geschichten zu erzählen oder über die Stränge zu hauen.» Er liebe Situationen, wenn übertrieben oder «die Normalität auf den Kopf gestellt wird», berichtet der Meister. «Eben wenn es ‹dronder ond dröber› geht», sagt seine Frau. Walter nickt. Ihre drei Töchter Livia und Julia (Zwillinge, 23) und Lisa (25) wissen, was sie in der Narrenzeit erwartet. «Ein Rollenwechsel», berichtet die Älteste. «Wir schauen zu den Eltern.»

Wenn das Meisterpaar alt aussieht. Foto zvg

Der gradlinige Berufsmann

Walter Stöckli wächst «mit allerbester Aussicht ins Flachland und die Berge» auf, wie er festhält. Oben auf der Twerenegg, als Jüngster der siebenköpfigen Posthalterfamilie. Als Schulbub bringt er ab und zu die Post in die Stuben und Küchen abgelegener Gehöfte – meist nicht zu Fuss, sondern mit dem Geländefahrzeug des Vaters. Kein Wunder brauchte er als 18-Jähriger für das Autopermit keine Fahrpraxis mehr. Die Abschlussklassen in Menznau und Wolhusen besucht er mit dem Töffli – mit den gefahrenen Kilometern hätte er mit seinem «Puch» die Erde umrunden können. 

Alles andere als «dronder ond dröber» verläuft sein Berufsweg in der Bankbranche: KV-Lehre bei der LUKB in Willisau, dann 25 Jahre bei der Valiant und deren Vorgängerbanken in Grosswangen und seit elf Jahren bei Raiffeisen Leasing Schweiz. Seit knapp drei Jahrzehnten hilft er seiner Kundschaft Maschinen zu finanzieren. Früher meist Bauern und Landwirten mit Krediten, um einen neuen Traktor oder ein Güllenfass zu kaufen. Heute Unternehmern mit Leasingverträgen, um etwa einen Bagger, Kran oder Reisecar anzuschaffen. «Eine dankbare Aufgabe», sagt Walter Stöckli. «Meine Hilfe wird geschätzt. Bei den Verhandlungen ergeben sich immer wieder interessante Gespräche.»
 

Der schräge Vogel

Im Elternhaus wird die Fasnacht nicht ausgiebig ausgelebt. Klein Walter besucht die Umzüge auf dem Menzberg und in Nachbarsgemeinden. «Die Fasnacht hat mich erst richtig gepackt, als wir Anfang der Neunzigerjahre in Grosswangen heimisch wurden.» Die Fasnachtsgruppierungen, die damals in den Weilern und Quartieren sehr ausgeprägt waren, infizieren ihn mit dem Fasnachtsvirus. Sich verkleiden, vollmaskiert in eine neue Rolle schlüpfen – «das ist seit Jahren unser Ding», halten Stöcklis unisono fest. Walter geht als Mauser an den Maskenball, macht als Eingeborener im Bastrock bei der Polonaise mit oder bringt zum «Alpaufzug» in die Beiz eine leibhaftige, maskierte Geiss mit. Ob als Bauer mit totem Huhn oder als Jäger mit erlegtem Fuchs: Walter Stöckli narrt und erschreckt das Fasnachtsvolk regelmässig mit aussergewöhnlichem Mitbringsel. «Er ist ein Urfasnächtler», ist an der Zunftmeisterwahl zu hören. Wie wahr!

Auf den Hund gekommen.

Der Schnelle

Gross ist der Bewegungsdrang des Säulizunftmeisters. Nebst der Fasnacht gehts in der Freizeit bei ihm oft «dronder ond dröber». Als «Schnellster Menznauer» tritt er mit 15 Jahren der Läuferriege Gettnau bei, in der er heute noch aktiv mitmacht. Bald gehört er schweizweit auf den Mittelstrecken zu den Schnellsten. «Dann kamen sich Trainingsplan und Ausgang in die Quere», meint er rückblickend. Beim Laufen könne er «den Kopf durchlüften, abschalten». So wichtig wie das Laufen sei ihm der gesellige Beizenbesuch nach dem Training. Samt drei, vier Pommes-Chips-Packungen, wie Kollegen zu berichten wissen.
 

Der Gipfelstürmer

Seine zweite grosse Leidenschaft in der Freizeit ist das Bergsteigen. Vom Matterhorn über Dom bis zur Jungfrau: Walter Stöckli hat sämtliche 48 Viertausender der Schweiz bestiegen, viele davon mehrmals und etliche mit seiner Frau und den drei Töchtern. 2007 stand er sogar auf dem 8013 Meter hohen Shishapangma im Himalayagebiet. Von seinen Rekordtouren oder einstigen Erfolgen als Läufer berichtet er gelassen. Details bekommt nur zu hören, wer ihn danach fragt. «Andere sind weit fiter als ich», sagt er bescheiden.
 

Der Optimist

«Es wird in der Grosswanger Fasnacht ‹dronder ond dröber› gehen», wiederholt sich der Zunftmeister und fügt an: «Doch wir haben alles im Griff.» Woher die Zuversicht? «Esther und ich können auf die Mithilfe des besten Kanzlerpaars zählen.» Auf Godi und Luzia Koch. «Wir verstehen uns blind.» Mit Godi hat er mehr als 20 Viertausender bestiegen. Zudem amteten 2009, also vor elf Jahren, die Stöcklis bei Kochs als Kanzlerpaar. «Wir schlüpfen heuer schlicht und einfach in andere Rollen», sagt Esther Stöckli. «Das ist Fasnacht pur im doppelten Sinn», sagt der Meister und strahlt.

Foto zvg

Schmutziger Donnerstag in Grosswangen: 6 Uhr Tagwache, Mehlsuppe Rest. Pinte; 9 Uhr Kinderfasnacht im «Ochsen»-Saal. 14 Uhr Fasnacht Betagtenzentrum Linde. 20 Uhr Narrentreffen in allen Restaurants. 22. Februar: Fasnachts-Gottesdienst in der Pfarrkirche um 18 Uhr. 23. Februar: Teilnahme am Umzug in Ruswil, ab 14 Uhr. 24. Februar: Dorfball im Restaurant Ochsen, ab 19.30 Uhr, Motto «dronder ond dröber».

Norbert Bossart

Säulimeisters saumässige Statements

Schwein hatte ich, als ich meine Frau Esther in der Läuferriege Gettnau kennenlernte. Wir bringen viele unserer Ideen ohne grosse Spannungen gemeinsam unter einen Hut. Wir ergänzen uns optimal – seit 37 Jahren.

Saumässig Freude bereitet mir ausgelassene Stimmung. Etwa an der Fasnacht, wenn alles «dronder ond dröber» geht.

Ich ärgere mich wie die Sau, wenn jemand mich beim Namen nennt, obwohl ich vollmaskiert bin.

Saudumm ist, wenn jemand an der Fasnacht in die Ferien fährt. Er verpasst die wildeste Jahreszeit und viele Highlights im Dorf-leben.

Den inneren Schweinehund überwinden musste ich beim Heiratsantrag … (lacht, macht Kunstpause und ergänzt) … nicht, dafür aber beim Meister-Tanz. 

Ein Ferkel ist, wer sein Glas nicht leer trinkt.

Die Sau rausgelassen habe ich schon ab und zu. Etwa an der Auffahrt vor drei Jahren. Wie gewohnt führte unsere Zunft am Umritt ein Beizli in Stettenbach. Danach galt es bei Kollege Sepp Weisswein zu entsorgen – und meinen Kanzler aus Nachbars Garten zu schleppen und zu retten.

Am liebsten esse ich vom Schwein einen Cervelat. Gebrätelt am Stecken über dem Feuer in freier Natur schmeckt er am besten.

Saunett ist unser Kanzlerpaar Luzia und Godi Koch, mit dem wir seit Jahren freundschaftlich verbunden sind. Sie sind ein gutes Organisationsteam und helfen uns tatkräftig, wenns nach wildem Besuch wieder Stube und Küche auf Vordermann zu bringen gilt.

Zur Sau gemacht habe ich noch selten jemanden. Ich suche nicht die Konfrontation, sondern die Geselligkeit.

Kein Schwein interessiert sich für mich hoffentlich am Aschermittwoch (lacht). Ist besser so! -art.

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