«God ned, geds ned»

Edelweiss, Chilis und Goji-Beeren: Auf dem Bio-Bauernhof der Familie Büchler gedeiht Aussergewöhnliches. Mitverantwortlich: Fabienne Emonin. Wieso sie das Risiko «exotische» Pflanzen anzubauen reizt, erklärt die Bäuerin dem WB beim Hofrundgang.

Fabienne Emonin (38) zeigt stolz die feuerroten Chilis im Gewächshaus. Fotos Chantal Bossard
Chantal  Bossard

Hier würde man nie den Blinker stellen. Mitten zwischen Altbüron und St. Urban verlangt das Navi: rechts abbiegen. Also gut, rauf auf die Höger, vorbei an alten Bauernhäusern, gelb verfärbten Eschen, um enge Kurven, bis dahin, wo der Kanton Luzern schon fast zu Ende ist und das Oberaargau beginnt: zum Bio-Bauernhof der Familie Büchler-Emonin am Fusse des Isehuets. «Sie haben Ihr Ziel erreicht», stellt die monotone Navi-Stimme fest. Notwendig wäre diese Ansage nicht gewesen, wartet doch bereits ein freudig bellender Hofhund auf dem Hausplatz. «Filou, komm her, mach Platz», befiehlt eine Frauenstimme. Die Hundedame verstummt, Fabienne Emonin – «ech be d'Fabienne» – fackelt nicht lange und lädt zum Hofrundgang ein. Mit knapp 14 Hektaren zählt der Betrieb von Fabienne und ihrem Mann Toni Büchler zu den kleineren im Kanton Luzern. Wer deshalb denkt, ein Rundgang sei eine schnelle Angelegenheit, der täuscht sich gewaltig. Denn dieser Hof ist alles andere als gewöhnlich – genauso wenig wie die Bäuerin Fabienne Emonin.

Lässt man den Blick über das weiss verputzte Haus der Familie Büchler-­Emonin weiter Richtung Berner Kantonsgrenze schweifen, so erblickt man für gewöhnlich Eiger, Mönch und Jungfrau. Heute sind die Alpen verhangen. Zu sehen sind aber mehrere grosse Kräuterfelder unterhalb des Hofes. Nebst verschieden Minze, Thymian, Edelweiss, Gemüse wachsen hier Peperoncini, Chili und diverse Paprikasorten. «Davon habe ich in den Gewächshäusern oben auf dem Hügel noch mehr», sagt Fabienne Emonin. Und schreitet strammen Schrittes voran. Auf dem Weg dahin deutet die 38-Jährige auf eine brachliegende Fläche – hier gedeihen jeweils die Schlüsselblumen. «Mit ihnen haben wir unseren Kräuteranbau angefangen», sagt sie.

Die Vorgeschichte
2010 übernehmen Fabienne Emonin und Toni Büchler den Hof von Tonis Eltern. «Sie bauerten noch konventionell.» Heisst: Anton Büchler senior betrieb Rinderaufzucht im Nebenerwerb, Pia Büchler kochte Obst zu Konfis ein und verkaufte diese an Märkten. «Wir wussten: Bei uns wird es anders.» Wie, das war noch gänzlich unklar. Bis Toni Büchler junior seine Diplomarbeit für die Ausbildung zum Meisterlandwirt absolvierte. Da musste er zwei mögliche Szenarien für seinen Hof vorstellen. Option 1: eine Pouletmast-Scheune. Option 2: Anbau von Spezialkulturen. Sein Klassenlehrer, Geschäftsführer der Genossenschaft Waldhofkräuter, war begeistert von letzterer Option. Und lud ihn ein, der Genossenschaft beizutreten. «Als Erstes bauten wir Schlüsselblümli an, die wir Ricola für Bonbons lieferten», sagt Fabienne Emonin. Das war vor acht Jahren. Thymian, Minze, Salbei: Heute sind in den beliebten Bonbons noch etliche weitere Kräuter aus Altbüron zu finden. Denn: «Wir haben sofort gemerkt: Das ist unser Ding.» Zurzeit bauen Fabienne und Toni Büchler Kräuter im grossen Stil an, trocknen sie in der eigenen Anlage, bevor sie zu den Grossabnehmern kommen. Und dies alles nach Bio-Standard, seit knapp einem Jahr gar nach Demeter-Richtlinien. Wieso? «Uns ist eine naturnahe und nachhaltige Produktion ohne chemisch-synthetische Hilfsstoffe wichtig. Wir wollen zu unseren Böden Sorge tragen, dafür stehen wir ein.» Ehemann Toni Büchler ist seit rund einem Jahr Präsident von Bio Luzern.

Das Wagnis lohnte sich
«So, hier wären wir», sagt Fabienne Emonin. Vier Gewächshäuser stehen in Reih und Glied auf dem Hügel über dem Hof. Hier wird ein Teil des Gemüses angebaut, welches die Büchlers jeden Samstagmorgen vor dem Cafe Chäppeli in Altbüron verkaufen, getreu dem Motto «Vom Dorf fürs Dorf». Und eben auch zu finden unter dem Schutz der weissen Plane: Chili, Peperoncini und diverse Paprikasorten. Fabienne Emonin schiebt die grünen Blätter der Pflanze beiseite und präsentiert prächtig-knallrote Chilis.

Eigenhändig sät sie die Pflanzen, zieht sie auf, erntet die Früchte – «botanisch korrekt handelt es sich bei den Schoten um Beeren» – und vertreibt sie. Mit den Chilis wird unter anderem die Migros oder ein Zürcher Restaurant beliefert. «Was nicht geliefert werden kann, verarbeite ich weiter – aber dazu später in unserem Hofladen mehr», so Fabienne Emonin, während sie das zuletzt besuchte Gewächshaus wieder mit einer Schnur zubindet. Draussen hält in dem Moment ihr Schwiegervater Anton Büchler mit dem Quad an. Er winkt und schultert sich eine Hacke. «Tonis Eltern sind uns eine grosse Hilfe bei der täglichen Arbeit.»

Fabienne Emonin hält inne, atmet tief durch, ihr Blick schweift über den Hof hinweg zu den Kräuterfeldern, streift über die Gemüsefelder zu den Gewächshäusern hin zur grossen Linde, die auf dem höchsten Punkt des Isehuets thront. «Auf dem Bänkli darunter sitzen Toni und ich oftmals nach einem arbeitsintensiven Tag, da tanken wir Kraft.» Die Linde ist das Logo für den Hof der Büchlers, ziert all ihre Produkte. Und: Sie ist Symbol dafür, dass es sich lohnt, Risiken einzugehen. Fabienne Emonin lacht: «Wie oft haben wir dort gesessen und uns gefragt, ob wir noch ganz bei Sinnen sind.» Weg von sicheren Einnahmequellen, hin zum Anbau von aussergewöhnlichen Kräutern und exotischen Pflanzen. «Anfangs haben viele über uns den Kopf geschüttelt. ‹Die machen das kein Jahr›, haben die Leute gesagt. Und wir wussten ja selbst nicht, ob wir so durchkommen.» Doch Fabienne Emonin und Toni Büchler leben nach einem anderen Motto: «God ned, geds ned». Fabienne Emonin erklärt: «Wir wagen gerne Neues, lernen dazu und freuen uns ab allen kleinen unerwarteten Erfolgen.» Das Wagnis hat sich bezahlt gemacht. Die Rinderaufzucht, welche die Büchlers als «sicheres Standbein» nebenbei noch führen, haben sie halbiert, die Hälfte des Stalls zu einem Lager für die Kräuter, Verarbeitungsraum und einem Hofladen ausgebaut. «Das schauen wir uns nun gleich an.» Zurück zum Hof.

Vom Wohnblock auf den Bauernhof
Würzige Gemüsebouillon, gemahlener Chili, Blümli-Tee, getrocknetes Suppengemüse und vieles mehr: Die Auswahl im Hofladen lässt das Herz einer jeden Feinschmeckerin höherschlagen. Zu finden ist das Angebot auch online auf der Website des Hofes.

«Vom Inhalt bis zur Etikette ist alles selbst gemacht», sagt Fabienne Emonin stolz. Sie verweist auf den kleinen Raum hinter dem Laden. Hier stapeln sich Dörrgeräte, Mixer, Waage, Schüsseln und Löffel. «Ein Chaos», so Emonin entschuldigend, «aber hier wird schliesslich gearbeitet.» Konkret: Hier probiert sie verschiedene Rezepte aus, verfeinert Salze mit Chili und Kräutern, mischt getrocknete Blumen zu Tees. Wie sie weiss, was schmeckt? «Probiere god öber studiere!» Einen passenderen Spruch gibt es kaum, um Fabienne Emonins Werdegang zu beschreiben. Denn obwohl sie heute den Hof mit Toni Büchler zusammen auf Augenhöhe führt, hat sie nie eine landwirtschaftliche Ausbildung gemacht. Im Gegenteil – aufgewachsen in einem Wohnblock im Seetal, hatte sie kaum Bezug zur Landwirtschaft. Sie absolvierte die Ausbildung zur Verkäuferin in der Papeteriebranche, bildete sich weiter zur Verkaufsfachfrau. Einen Tag in der Woche arbeitet sie noch heute im Aussendienst in der Papeteriebranche – «als Ausgleich zu meinem Arbeitsalltag auf dem Hof.» Als Bäuerin und zweifache Mutter vom vierjährigen Sohn Marco und der sechsjährigen Tochter Celine. Ihr Mann hingegen hat per 1. November seine Arbeitsstelle gekündigt, um seine Zeit voll und ganz dem Hof zu widmen. Momentan ist er mit dem Pasteurisieren und Abfüllen des Mostes beschäftigt. Schon von Weitem hört man die Ländlermusik aus dem hinteren Teil der Scheune hervordudeln. Toni Büchler sitzt konzentriert vor dem Pasteur. Er verweist auf die vielen Harassen Äpfel, die sich im Raum stapeln – «ech ha no öppis vor.»
 

Asiatische Beere in Altbüron
Letzte Station auf dem Hofrundgang: die Plantage mit den Goji-Beeren. Die orange-rote Frucht wird seit Jahrtausenden in Asien angebaut – vor allem in China und der Mongolei. Den kleinen Beeren werden heilende Kräfte zugeschrieben, sie finden zudem als sogenannten «Superfood» immer häufiger den Weg in die westliche Küche. Und in Altbüron gedeihen sie inmitten von Kirsch- und Apfelbäumen. Oder: würden gedeihen. «Anders als in den ersten beiden Jahren haben wir heuer kaum Ertrag», erklärt Fabienne Emonin und verweist auf die wenigen Früchte, die an den Zweigen der Bäumchen hängen.

Momentan seien sie am Abklären, woran das liegen könnte. «Aber wir geben sicher noch nicht auf», sagt Emonin. Mit Nachdruck. Etwas anderes hätte man von ihr auch nicht erwartet.

Zurück auf dem Hof rennt der kleine Marco seiner Mutter in die Arme. Toni Büchler hat ihn von der Spielgruppe abgeholt, nun läuft er mit Kohlrabi, Rüebli und Federkohl zur Haustür. «Es gibt Suppe», sagt er, Fabienne Emonin streckt beide Daumen in die Höhe. Bereits ist Mittagszeit – ein spannender Rundgang geht zu Ende. Auf einem kleinen Betrieb mit grossen Ideen.

Chantal Bossard

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