Nachruf

19. April 2022

Robert Zemp-Berchtold

Robert Zemp-Berchtold
Uffikon

Ein langes Leben fand am Abend des Montags vom 14. März 2022 sein Ende. Ein kurzer Satz nur, der jedoch sehr viel beinhaltet, ein ganzes Leben eben. Robert Zemp-Berchtold durfte 101 Jahre alt werden. Das Licht der Welt erblickte er am 24. Februar 1921 im luzernischen Uffikon auf einem Bauernhof im Erli. Der Vater Robert und die Mutter Maria freuten sich über ihren Erstgeborenen. Es folgten dann noch acht Geschwister, die zwei Brüder Hans und Klaus, die sechs Schwestern Marie, Gertrud, Anna, Frieda, Verena und die Nachzüglerin Bernadette. Eine Grossfamilie, wie sie zu dieser Zeit üblich war, nicht nur im Luzernischen.

Der älteste, Robert, war ein besonderes Kind. Wenn die Geschwister ihren täglichen kleinen und grösseren Pflichten nachgingen, denn auf einem Bauernhof gab es damals immer viel zu tun, war Robert schon bald einmal mit anderen Dingen beschäftigt. Der kleine Träumer versteckte sich im Kartoffelfeld, die Arme unter dem Kopf verschränkt am Himmel die Wolken bestaunend, die vorüberzogen und immer wieder ihre Form veränderten. Wind und Wetter schienen den neugierigen und aufgeweckten Jungen mehr zu interessieren als alles andere. Es scheint, dass die Landschaft, in die Robert hineingeboren wurde, für ihn prägend war. Der weite Rundblick über Felder und Wälder bis hin zu den Voralpen und Alpen, welche das über 700 m über Meer gelegene Erli ermöglichte, beglückte Robert jeden Tag und dies über 100 Jahre lang. Immer wieder zog es ihn nach draussen, die Erscheinungen der Natur interessierten ihn, ihr steter Wandel über die Jahreszeiten hinweg. So war es nicht verwunderlich, dass er sich am liebsten draussen aufhielt. Dort wartete nicht nur die tägliche Arbeit auf ihn, sondern auch die freie Luft zum Atmen.

Und als bekannter Hobbymeteorologe studierte er die Wetterphänomene, die er fundiert zu deuten und erklären wusste. Diesen Weitblick, der ihm die vorzügliche Lage seines Bauernhofes schenkte, behielt er auch in der Politik, wo sich Robert Zemp in seinem Dorf Uffikon über Jahrzehnte erfolgreich engagierte. Er war mit seiner ruhigen und bedachten Art über die Parteigrenzen hinweg geachtet und geschätzt. 1956 wurde er in den Gemeinderat als Armenpfleger gewählt, ab 1964 amtete er für 24 Jahre als Gemeindeammann und später war er noch für ein paar Jahre Gemeindepräsident.

Über all die Jahre konnte er dank seinem unermüdlichen Einsatz viele Projekte realisieren. Mit dem Bau der neuen Dorfstrasse, der Wasserversorgung und der Errichtung eines neuen Schulhauses weckte er das verwunschene Bauerndorf Uffikon aus dem Dornröschenschlaf, wie er einmal nicht ohne Stolz sagte und in einem seiner zahlreichen veröffentlichen Zeitungsartikeln festhielt. Schreiben zählte zu einer seiner Lieblingsbeschäftigungen. Zur neueren Dorfgeschichte verfasste er mehrere Beiträge und mit seinem Engagement für die Öffentlichkeit wurde er sogar selber Teil dieser Ortsgeschichte.

Neben der Politik und der Wetterkunde war er über 20 Jahre aktives Mitglied der Feldmusik Uffikon und 30 Jahre lang Mitglied des Sängerbundes Oberwiggertal. Beiden Vereinen stand er jahrelang als Präsident vor. Musik und Kameradschaft schätzte Robert Zemp sehr, sie verliehen ihm Kraft und Energie für seine vielfältige Tätigkeit, die letztlich auch immer wieder der Dorfgemeinschaft zu Gute kam. So entstand zum Beispiel auf seine Initiative hin der Robert Fellmann Brunnen vor der Dorfkirche, der selbstverständlich mit einem grossen Dorffest eingeweiht wurde. Und wer hielt als versierter Redner die Festansprache vor zahlreichem Publikum aus nah und fern? Säubverständlech de Zämp Robi, de Gemeiname, dä cha das. Nicht ohne Stolz erzählte er uns wiederholt, dass Robert Fellmann, sein Namensvetter, einer der besten Jodelliedkomponisten der Schweiz, aus Uffikon stamme.

Wenn wir auf das reiche und lange Leben von Robert Zemp zurückschauen, haben oft äussere Umstände sein Leben mitgeprägt und Weichen gestellt. Ein Wendepunkt in seinem noch jungen Leben war der Aktivdienst während des Zweiten Weltkrieges. 1940 musste er mit 19 Jahren einrücken. Oft hat unser Vater von dieser Zeit erzählt, die er wie viele andere auch als sehr belastend erlebte. Diese Jahre der Ungewissheit gepaart mit seinem wachen Geist war ein wesentlicher Beweggrund sich für die Weltpolitik zu interessieren, und zwar täglich bis ins hohe Alter. So war es für uns Kinder damals selbstverständlich, dass während der Essenszeit täglich dreimal die Nachrichten von Radio Beromünster angehört wurden.

Den jungen Bauernsohn oben im Erli kannte man damals. Er war sehr beliebt, auch bei den jungen Frauen in der näheren und weiteren Umgebung. Manche Mutter hätte ihn gerne als künftigen Schwiegersohn gesehen. Der Zufall oder das Schicksal wollte es aber anders. Einer glücklichen Fügung ist es wohl zuzuschreiben, dass in der Nachbarschaft auf einem Bauernhof eine junge Köchin namens Annemarie eingestellt wurde. Eine tüchtige Länderi aus Giswil und schön erst noch dazu, wie man sich im Dorf schon bald einmal erzählte.  Robert wollte es wissen, lernte sie kennen, es war Liebe auf den ersten Blick, und im Mai 1953 fand die Hochzeit statt. Fünf Kinder wurden dem Paar geschenkt, Robert, Annamarie, Bernhard, Bruno und Oswald. Unsere Mutter,  dLänderi stammte aus einer Politikerfamilie. Sie wusste nur zu gut, was später auf sie zukommen sollte. Auf jeden Fall hat unser Vater seiner Frau viel zu verdanken, sie hielt ihm den Rücken frei, was sicher nicht immer ganz einfach war.

Unseren Eltern war es sehr wichtig, dass ihre Kinder eine rechte Ausbildung machen konnten, wie sie sagten. Denn der Vater bedauerte es sehr, dass er damals, obwohl er mit sehr guten schulischen Leistungen glänzte, die Schule nach der 7. Klasse verlassen und wie auch die übrigen Kinder des Dorfes hinaus ins Leben treten musste. Er war stolz auf seine fünf Kinder. Und wenn er jeweils zum Beispiel an einem Familienfest gefragt wurde, was denn aus seinen Jungen geworden sei, sagte er nicht ohne Schalk: «Die vier schaffid und dä isch Lehrer.» Sein feiner Humor und sein Sprachwitz war sprichwörtlich, nie verletzend und überall geschätzt, und dies bis zuletzt. So bleibt Robert Zemp-Berchtold dem Pflegepersonal der Spitex, das ihn zu Hause betreute oder danach dem Pflegepersonal im Alterszentrum Eiche in schöner Erinnerung.

Die grosse Zahl von Beileidsbezeugungen, die wir von vielen seiner ehemaligen Weggefährten und Bekannten in den vergangenen Tagen erhalten haben, lassen nochmals ein paar Eigenschaften seiner Persönlichkeit aufleuchten: So schreibt uns der frühere Regierungsrat Klaus Fellmann: «Robert Zemp durfte ein hohes irdisches Alter erreichen. Dabei hat er seine vielen Talente klug und engagiert eingesetzt. Ich habe Robert als Mann der Öffentlichkeit kennen und schätzen gelernt. Sein Wirken als langjähriger Gemeideammann meiner Heimatgemeinde Uffikon war beispielhaft und weitsichtig, eng verbunden mit den Mitmenschen und der Natur.» Oder eine Nachbarin: «Als sehr geschätzter Nachbar, gesprächiger, lebensfroher, friedliebender und humorvoller Mensch werde ich Robert in bleibender und bester Erinnerung behalten.»

Robert Zemp jun.