Nachruf

15. April 2019

Hilda Arnold-Kurmann

Willisau

Auf Wikipedia steht, dass der Karfreitag der erste Tag der österlichen Dreitage­feier ist. Und die österliche Dreitagefeier wiederum ist in ihrer Gesamtheit in allen christlichen Konfessionen das höchste Fest des Kirchenjahres. Unserem Mami hatten der Glaube und die katholische Kirche immer sehr viel bedeutet. So machte es für uns fast der Anschein, als hätte unser Mami ihre letzte Reise bewusst an einem der höchsten Feiertage angetreten, als sie am Karfreitagmorgen, 30. März 2018, nach kurzem Aufenthalt im Spital Wolhusen, ruhig und friedlich zum Schöpfer zurückgekehrt ist.

Geboren wurde unser Mami am 3. Juni 1936 als erstes Kind von Johann und Rosa Kurmann-Künzli. Zusammen mit ihrer Schwester Annamarie und den drei Brüdern Johann, Alfred und Walter wuchs sie im Vorder-Mühletal in Willisau auf. Von zwei Brüdern musste unser Mami leider allzu früh Abschied nehmen, verstarb doch Onkel Hans bereits 1988 und Onkel Fredi im Jahr 1991.
Besucht hat unser Mami, wie unser Babi auch, die «Hochschule» auf dem Lütenberg. Dort schlug offenbar einmal der Blitz ins Schulhaus ein, darum hatte es Mami nie gerne, wenn ein Gewitter über Willisau zog. Wir erinnern uns jedenfalls an diverse Abende, als wir zu Hause in der Stube eine Kerze anzündeten und Radio DRS 1 hörten und erst wieder ins Bett gingen, als das Gewitter endlich weitergezogen war. Die Sekundarschule besuchte unser Mami «vorne», dort wo heute das Gemeindehaus von Willisau steht. Danach hat sie, wie das zu dieser Zeit für viele junge Frauen halt noch üblich war, das «ABC des Haushaltens und Kochens» bei der Metzgerei Grüter und im Hotel Mohren erlernt.

Am 26. April 1960 haben unsere Eltern in der Kirche St. Karli in Luzern geheiratet. Nach den Flitterwochen durfte das junge Ehepaar ihren neuen Hausteil im Sternenmattring beziehen. In den folgenden Jahren wurden ihnen die sechs Kinder Priska, Rita, Eduard, Ursula, Urs und Nachzügler Adrian. geschenkt, dazwischen stiess auch noch Pflegetochter Erna zur Familie. Von unserem Babi und unserer Schwester Ursula musste unser Mami, mussten wir alle, leider schon im 2012 «Adieu» sagen. Besonders der Verlust ihrer Tochter hat sehr an Mami genagt. Es ist einfach nicht der normale Lauf der Zeit, wenn man von seinem Kind Abschied nehmen muss. Gesagt hat sie das zwar nie. Aber wir konnten das spüren. Ab 1962 bis zur späteren Überbauung haben unsere Eltern 30 Jahre lang die Liegenschaft im Grund bewirtschaftet. Für unser Mami bedeutete das viel Arbeit: Wenn wir nur an die viele Wäsche denken. Oder an das tägliche Kochen für zwölf Mäuler. Neben den Eltern und den sieben Kindern wohnte auch noch unsere Grossmutter im Haus und die beiden Knechte wurden ebenfalls verpflegt. Und trotzdem hatten wir immer das Gefühl, Mami kocht lieber für eine ganze Armada als nur für zwei oder drei Personen. So war der Tisch auch später, als unsere Grossmutter nicht mehr lebte und die beiden Knechte nach Abbruch der Scheune in Pension gingen und längst nicht mehr alle Kinder zu Hause wohnten, noch lange voll. So kamen zum Beispiel Kinder von befreundeten Bauernfamilien zu uns zum Mittagessen. Kinder, welche auf dem Schlossfeld die Schule besuchten, aber weit ausserhalb vom Zentrum wohnten. Kochen und Leute bewirten, das hat unser Mami grandios beherrscht. 48 Jahre haben unsere Eltern im Sternenmattring gewohnt. Vielen Nachbarn ist sicher noch in Erinnerung, wie es im Frühling und im Sommer rund ums Haus wunderbar geblüht hat. Auch den grünen Daumen konnte man unserem Mami nicht absprechen. Im 2008 zogen unsere Eltern in eine Wohnung im Grabenweg. Für Mami war das eine grosse Erleichterung. Nach all den Jahren war es dann trotz aller Liebe zum Garten doch einmal genug mit ansetzen, giessen und Rasen mähen. Ein paar freie Tage gönnte sich unser Mami zwischendurch schon. Sie ging auf Wallfahrten, verreiste mit dem Artillerieverein oder sie genoss Jassferien in Arosa. Einfach nicht weg mit dem Flugzeug! Vor dem Fliegen hatte unser Mami panische Angst. Nach dem Tod von Babi besuchte Mami vor allem noch den Mittagstisch im Restaurant Sonne oder im Restaurant Post. Als sie dann aber nochmal ihre Hüfte operieren musste, blieb sie je länger je mehr in ihrer Wohnung. Zu unsicher fühlte sie sich, um mit ihrem Rollator weitere Strecken zurückzulegen. Und als sie schliesslich in ihrer Wohnung ein paarmal gestürzt war, entschied sich unser Mami im September 2017 für den Umzug in die «Waldruh».

Aber nochmal zurück zum Kochen: Mamis «Gallerech», das ist Sulze mit Cervelat, Essiggurke und Ei, war legendär. Sie hat dieses Gericht immer zubereitet, wenn Onkel Fredi aus Winterthur mit seiner Familie bei uns zu Besuch war. Und Mami war auch bekannt als «Zöpfe-Höudi». Am Samstagabend mussten wir jeweils einen der selbst gebackenen Butterzöpfe vor unseren Freunden verstecken, sonst hätten wir am Sonntag nichts mehr davon zum Frühstück gehabt… Daneben hatte unser Mami durchaus ein Faible für Sport. Selber hat sie, ausser jassen, zwar nie Sport getrieben. Dafür hat sie sich als Vizepräsidentin des Samaritervereins Willisau jahrelang um verletzte Sportlerinnen und Sportler gekümmert. Fasziniert war Mami vom Eiskunstlaufen. Es war wahrscheinlich die Eleganz dieses Sports, von welcher sie angetan war. Auf der anderen Seite war da aber auch das Brachiale. Man glaubt es kaum, aber unser Mami stand nachts auf, wenn Cassius Clay, später bekannt als Muhammad Ali, im TV boxte. Es waren wohl die geschmeidigen Bewegungen des weltbesten Boxers, welche sie beeindruckten. Unvergessen bleiben auch die Skirennen, als eine ganze Nation samstags vor dem Fernseher zu Mittag ass. Als die Schweizer Ski-Asse in Wengen oder in Kitzbühel die Piste hinunterbretterten, verzog sich unser Mami vornehm in die Küche. Sie getraute sich nicht zu schauen, wenn Pirmin Zurbriggen, Franz Heinzer und Co. das Lauberhorn oder die Streiff runterdüsten. Dafür tönte es dann aus der Küche, man solle ein wenig Sand streuen, wenn ein Athlet aus Österreich an der Reihe war… Daneben litt sie mit dem FCL, freute sich mit Roger Federer und fragte immer nach den Resultaten der Willisauer Fussballer und Ringer.

Eine grosse Faszination übten die Königshäuser auf unser Mami aus. Ob in Grossbritannien, in Schweden, in Spanien, in den Niederlanden oder in Monaco – Mami wusste immer ganz genau, wer gerade Königin und König war. Apropos König: Mamis grösste Leidenschaft war das Jassen. Egal ob zu zweit, zu dritt, zu viert oder gar zu sechst, das Jassen hat unserem Mami die allergrösste Freude bereitet und es hat sie gedanklich fit gehalten. Eine 13 wurde eingerahmt und nach einem «Match» des Gegners wurden die Hände unter den Jassteppich gelegt, um die Jassgötter für einen eigenen «Match» zu beschwören. Selbst beim Jassen war der Glauben, das Glauben an etwas, ihr steter Begleiter.

Der Glaube hat unserem Mami sicher auch geholfen, dass sie an besagtem Karfreitag nach einem erfüllten Leben zufrieden loslassen konnte. So ging unser Mami, wie sie war, am 30. März 2018 ganz still und leise von uns. Unser Mami war nie ein Mensch der lauten Töne. Sie hat auch nie gejammert und war stets zufrieden. Über einen Besuch hat sie sich aber immer gefreut und das Familienfoto sowie das Bild ihrer sieben Grosskinder hatten im Grabenweg wie auch im Zimmer in der «Waldruh» die prominentesten Plätze behalten.

«Ich gehe zu denen, die mich liebten und warte auf jene, die mich lieben». In diesem Sinne danken wir dir, liebes Mami, für alles, was du in deinem Leben für uns getan hast. Wir werden dich und dein grosses Mutterherz nie vergessen!

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