Nachruf

06. Januar 2022

Helene Ambühl-Meyer

Helene Ambühl-Meyer
Hergiswil bei Willisau

Unser Mueti wurde als Helene Meyer und drittes Kind von Josef Meyer und Emma Meyer-Duss am 23. Mai 1926 auf dem Hof Oberroth, genannt «Chilchlihof», in Grosswangen geboren. Dort verbrachte Kleinhelene mit ihren Geschwistern Sepp, Hans, Walter, Ernst, Franz, Margrith und Dorli ihre Kinder- und Jugendjahre. Nebst Bauer war ihr Vater auch Sig­rist der sich auf dem Hofgelände befindenden Muttergotteskapelle Oberroth. Im Elternhaus in der Oberroth wurde wahre Gastfreundschaft und soziales Engagement zelebriert und gelebt. So wurden zum Beispiel an Auffahrt Pfarrer und Prozessionsteilnehmer auf den Hof zum Frühstück eingeladen. Während der Zeit des zweiten Weltkrieges fanden Flüchtlinge aus dem Elsass Zuflucht auf dem Hof und nach dem Krieg erholten sich Bernhard aus Berlin und Manfred aus der Steiermark von den traumatisierenden und einschneidenden Kriegserlebnissen. Im Jahre 1935 erlebte die Familie einen herben Schicksalsschlag: Muetis jüngste Schwester Dorli stürzte von der Schaukel und zog sich eine sehr schwere Hirnverletzung zu. Als Folge war sie stark beeinträchtigt und musste intensiv gepflegt werden. Mit aller Kraft und viel Engagement wurde versucht, der kleinen Schwester zu helfen. Ihr früher Tod im Alter von 12 Jahren war für Mueti sehr schwer zu verkraften, war ihr doch das kleine Dorli sehr ans Herz gewachsen.

Ins Schulalter und junge Erwachsenenalter gekommen, besuchte Helene in Grosswangen während sechs Jahren die Primar- und während zwei Jahren die Sekundarschule. Sie war eine fleissige Schülerin und liebte das Lernen, besonders die französische Sprache schien es ihr angetan zu haben. Im Alter von 19 Jahren besuchte sie die Bäuerinnenschule in Sursee. Auf dem elterlichen Hof ging die Arbeit nie aus und so unterstützte Helene ihre Mutter beim Versorgen des grossen Hauses in den unterschiedlichsten Aufgaben.

Nebst der Arbeit auf dem elterlichen Hof war Mueti in ihrer Freizeit eine leidenschaftliche Chorsängerin im Cäcilienverein Grosswangen und Helene hatte eine gesellige, kontakfreudige und fröhliche Art. So dürfte sie auch Hans Ambühl aus Hergiswil (LU), der auf einem nahegelegenen Landwirtschaftsbetrieb als Meisterknecht tätig war, aufgefallen sein. Ihr gemeinsamer Lebensweg begann dann Jahre später durch Heirat am 15. November 1958. Gute neun Jahre bewirtschafteten Babi und Mueti den grossen Pachtsbetrieb Grüt in Grosswangen und  wurden gleichzeitig Eltern ihrer fünf Kinder Martha, Dorothea, Hans, Luzia und Pirmin. Irgendwann entstand der Wunsch nach einem eigenen Landwirtschaftsbetrieb. Sie wurden fündig in Babis Heimatgemeinde Hergiswil (LU), wo sie 1967 das Bauerngut Unter-Opfersbühl erwarben. In Hergiswil gesellten sich noch drei weitere Kinder zur Familie. Bruno, Guido und Erna machten die Familie komplett.

Die Arbeitstage im Unter-Opfersbühl waren lang und hart, vor allem von Frühjahr bis Herbst. So ging Mueti am frühen Morgen, wenn wir Kinder noch schliefen, mit Ross und Wagen «grasen» und wenn wir am Abend im Bett träumten, musste das eingebrachte Heu auf den Heustock verteilt werden.

Trotz der vielen Arbeit hörte man Mueti nicht jammern. Sie besass ein frohes, geselliges Wesen und verstand, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. So wurde beim Arbeiten sehr oft gesungen und wir erwarben so ein grosses Repertoire an unterschiedlichsten zum Teil unbekannten Liedern, so dass sich die Arbeit fast von alleine tat. Mueti schaffte es praktisch aus dem Stegreif, zu jedem Lied die 2. Stimme zu singen, was sich zusammen mit uns jeweils fast wie ein Chorwerk anhörte.

Mueti liebte Besuch, vor allem, wenn ihre Geschwister oder Schwägerinnen vorbeischauten, ging es fröhlich zu und her.

Im Jahre 1977 wurde Mueti in ihrem umtriebigen und engagierten Leben ausgebremst: Bei einem Verkehrsunfall als Fussgängerin wurde ihr rechtes Knie sehr schwer verletzt, so dass sie dieses nie mehr richtig beugen konnte und dadurch auch im Gehen sehr eingeschränkt war.

Als wir Kinder grösser und selbständiger wurden, unternahmen Mueti und Babi anfänglich kürzere und dann immer längere Bus-Reisen. Es entwickelten sich Reisefreundschaften, die sich gegenseitig animierten, doch die eine oder andere Reise gemeinsam zu unternehmen. Auf diese Art erforschten sie Europa und entdeckten so, dass das Leben noch eine andere Facette zu bieten hat.

Leider wurde diese etwas angenehmere Lebensphase im Jahre 2008 jäh unterbrochen. Hans, ihr Mann, den sie 50 Jahre an ihrer Seite wusste, verstarb unverhofft an einem Herzversagen. Für Mueti war es schwer, im alten Hause allein zu leben und so zog sie in die obere Etage im neu erbauten Haus ihres Sohnes Bruno.

Nun begann eine intensive Zeit als Grosi. Mue­ti liebte ihre 21 Enkel und Enkelinnen und verwöhnte sie, oft auch heimlich. Immer befanden sich in ihrem Schurz ein paar Süssigkeiten. Auch ihre vier Urenkel eroberten ihr Herz im Sturm, und sie war stolz auf ihre flotte Kinderschar.

Nachdem das Führen eines eigenen kleinen Haushaltes zunehmend schwieriger wurde, zog Mueti 1912 ins St. Johann in Hergiswil. Auch da konnte sie ihre Hände nicht einfach in den Schoss legen. So lange es ging, half sie zum Beispiel beim Rüsten in der Küche, nahm an den vom Heim organisierten Ferienauf­enthalten teil oder sorgte sich um eine liebe Bekannte im Heim. Sie war glücklich, wenn sie etwas tun konnte.

In der Nacht auf den 29. Dezember 2020 hat sich dein Lebenswerk erfüllt. Ja, und wir werden mit grosser Dankbarkeit an dich denken und wenn wir uns als Familie treffen, sagen … ­«Weisch no …?»