Nachruf

02. Dezember 2022

Helen Vogel-Achermann

Helen Vogel-Achermann
Entlebuch/Menznau

Gedanken zum und aus dem Leben unserer lieben Mutter. Heute vor genau 94 Jahren wurde unsere liebe Mutter im Kreise einer Grossfamilie auf der Rengg in Entlebuch geboren. Es war damals die Zeit der harten 1930er-Jahre. Diese Zeitepoche prägte unsere Mutter ihr ganzes Leben. Einerseits häuslich und sparsam, und andererseits kann man trotzdem offen und gastgeberisch sein, wenn man tüchtig und fleissig ist. Diese Eigenschaften begleiteten unsere Mutter schon während den gesamten Jugendjahren wie alle darauffolgenden Lebensabschnitte. Waren es die Schuljahre, die Arbeit zu Hause auf dem grossen Bauernhof und die folgende Haushaltungsschule, unsere Mutter war sicher schon damals überzeugt, mit Wille, Arbeit und Fleiss kannst du viel erreichen. Grundsätze, welche unsere liebe Mutter ihr ganzes Leben hindurch «lebte» und begleiteten. Grossfamilie und Mutter sein und zugleich aber auch als Geschäftsfrau die Tüchtigkeit leben und beweisen können, gehörten schon früh zu Mutters Träumen, welche dann ab 1951 zusammen mit unserem lieben Papa, mit dem Milchkauf (der Pacht der Käserei Rengg) ihren Startpunkt hatten.

Trotz der damals schon immer wieder zwischenzeitlich auftretenden gesundheitlichen Probleme war unsere Mutter zufrieden und voller Kraft und Tatendrang. Sie managte Familie und Geschäft mit schon fast unglaublichen Kräften. Täglich bis zu 10 Personen mit ihren währschaften und guten Kochkünsten zu verköstigen, gehörten bei ihr zur Normalität. Bei der Ausübung eines ihres Hobbys, des eigenen gros­sen Gemüsegartens und dem vielen Blumenschmuck rund um die ganze Käserei, beflügelte unsere Mutter stets mit Stolz und Zufriedenheit. Das Auto war für unsere Mutter ein wichtiges «Mittel zum Zweck». Es gibt vermutlich kaum jemand, den sie nicht irgendwohin mit dem Auto gefahren hat: Waren es früher die Frauen und Mütter von den Milchlieferanten, welche zu einem Arztbesuch oder einfach zu Einkäufen im Dorf bis hin zum Kirchenbesuch von ihren Fahrkünsten profitiert haben, so waren es später wir. Keine Strecke war ihr zu lang, wo sie uns Kinder nicht hinfuhr. Und mit echtem Stolz erzählte sie auch später noch immer wieder, dass sie über all die vielen Jahre hinweg unfallfrei gefahren sei.

So gerne unsere Mutter das Auto fuhr, so gerne spielte sie auch in ihrer spärlichen Freizeit die Jasskarten. Wenn sie auch ab und zu dabei eine strenge Jasslehrerin war, konnten wir uns doch keine bessere Jassmeisterin vorstellen. Papa und Mama zusammen waren schon beinahe fast ein unschlagbares Duo im Sidi-Jass für uns Kinder. Auch das Tanzen übrigens haben wir von unseren Eltern gelernt. Und wer immer mit unserer Mutter tanzte, spürte ganz schnell, wie gerne sie das tat und wie sie diese Freude ausstrahlte.

Der plötzliche und viel zu frühe Tod unseres geliebten Papas stellte unsere Familie, und vor allem unsere Mutter, vor eine grosse Prüfung. Die seit Kindsbeinen geliebte Rengg sowie die bis anhin gemeinsam «gelebte» Käserei dadurch aufgeben zu müssen, hinterliessen unauslöschbare Spuren.

Menznau wurde dann zur neuen Heimat unserer lieben Mutter. Mit ihrem steten Tatendrang, noch etwas zu leisten und dadurch noch eine vielseitige Hilfsbereitschaft leben zu können sowie der von ihr gelebten Gastfreundschaft einer immer offenen Türe, verhalfen ihr, dass sie auch hier schon bald einen geschätzten Freundeskreis erwarb. So engagierte sie sich fast wie selbstverständlich im SOS-Dienst der Frauengemeinschaft oder in vielgestaltigen Hilfsdiensten im Altersheim bis hin zu nächtelangen Sterbebegleitungen, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Woher nahm diese Frau, unsere Mutter, all die Kraft dazu? Wir können nur ahnen und staunend sagen: wohl in ihrem Glauben, im Gebet und im regelmässigen Mitfeiern des Gottesdienstes. Hier fand sie ihre Kraft, ihre Stärke, ihre Freude im Dasein für andere, auch ihren Trost in schwierigen, leidvollen Zeiten. Gehörten früher die Familie/Kinder und die Käserei zu Mutters Lebensmittelpunkten, so wurde nun im Lauf der Zeit ihr «Kreis» stetig grösser. Nebst Mutter wurde sie nun immer mehr noch zum Grösi, und später sogar noch mehrfach zum Urgrösi. Es war jeweils fast nicht mehr genau ersichtbar, wo nun die Freude und das Strahlen grösser war, wenn Grösi uns und unsere Kinder mit ihren selbst gemachten Flädli oder den feinen Pastetlichügeli sowie «Läbchueche» mit feiner «Ni­dle» verwöhnte. Die letzten Gastfreundschaften, während rund sechs Jahren, durfte dann unsere Mutter noch im Alters- und Pflegeheim Menznau anbieten. In der Nacht auf den 8. Oktober liessen dann die Kräfte endgültig nach, und unsere Mutter konnte nach einem reich erfühlten Leben für immer einschlafen. Liebe Mutter, wir danken dir für alles. Du wirst für immer einen festen Platz in unseren Herzen haben.

Deine Kinder